Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck
eben unterbrochen. Irgendwas, das in Causton passiert ist?«
»Ach ja. Du errätst nie, wen ...«
Doch in diesem Augenblick klingelte das Telefon. Und nach dem Anruf war es unmöglich, mit dieser oder einer anderen Unterhaltung fortzufahren. Die furchtbare Nachricht über Ann Lawrence verschlug Louise nicht nur die Sprache, sondern war außerdem so schockierend angesichts dessen, was sie gerade hatte erzählen wollen, dass ihr beinahe auch noch das Herz stehen blieb.
»Alles in Ordnung, Lionel?«
»Was?«
»Wie fühlst du dich? Ich meine, wirklich?«
»Ich weiß nicht so recht.«
Das war eine gute Frage. Sehr einfühlsam. Wie fühlte er sich denn wirklich? Lionel wusste, wie er sich fühlen sollte. Und vielleicht, wenn Ann nicht so grausam zu ihm gewesen wäre, würde er auch die angemessenen Gefühle empfinden. Verzweifelt zu Gott für ihre Genesung beten und mit Schrecken daran denken, wie ihm das Herz brechen würde, wenn er seine geliebte Gattin verlöre.
Und er hatte sie geliebt. All die Jahre war er ein guter und treuer Ehemann gewesen. Das Problem war, wie diese hässliche Szene am gestrigen Tag so deutlich gezeigt hatte, dass sie ihn nicht liebte. Also konnte man ihm kaum vorwerfen, dass seine Reaktion auf die furchtbare Nachricht, die er gerade erhalten hatte, etwas gedämpft war.
»Ich sollte wohl hingehen, oder?«
»Tatsache ist, Lionel, sie wird nicht wissen, ob du da warst oder nicht.«
»Das stimmt.«
»Wenn sie wieder zu sich kommt, nun ja ...«
»Dann natürlich.«
»Klar. Und ich will ja nicht aufdringlich sein, aber trotzdem möchte ich dir sagen, dass du mein tiefstes Mitgefühl hast.«
»Das weiß ich doch, Jax. Es bedeutet mir sehr viel, dich hier zu haben.«
»Aus irgendeinem merkwürdigen Grund hat Mrs. Lawrence mich nie gemocht.«
»Sie war - ist etwas nervös veranlagt.«
»Aber ich bin niemand, der schnell beleidigt ist. Und ich kann nur beten, dass Gott gerade jetzt auf unserer Seite ist.«
»Danke.«
Als man ihm vor etwa einer Stunde am Telefon erklärt hatte, was passiert war, hatte Lionel vollkommen sprachlos zugehört. Anschließend hatte er noch lange Zeit dagestanden, den Hörer fest ans Ohr gepresst, und auf die ausgebleichte Tapete gestarrt.
Dann, als der erste Schock vorüber war, hatte er sich merkwürdig leer gefühlt. Er setzte sich hin und wartete ab, was als nächstes passieren würde. Und was als Nächstes passierte, war, dass Lionel das starke Bedürfnis verspürte, die Information weiterzugeben. Jegliche Unterstellung, dass dies eine ganz normale menschliche Reaktion auf eine schlimme oder aufregende Nachricht sei, hätte er empört von sich gewiesen. Lionel wusste genau, dass er lediglich ein wenig Zuwendung und Trost brauchte. Aber wo sollte er das finden?
Der einzige Mensch, der ihm einfiel, war die gute Vivienne beim Caritas-Fonds. Sie war immer äußerst simpatico gewesen bei den immer häufiger werdenden Gelegenheiten, wo er das Bedürfnis gehabt hatte, jemandem sein Herz auszuschütten.
Lionel wählte mit, wie er befriedigt feststellte, ganz ruhiger Hand ihre Nummer. Doch er hatte kaum angefangen zu sprechen, da fiel Vivienne ihm ins Wort. Sie würde gerade jemanden interviewen, und außerdem wartete noch jemand. Als Lionel vorschlug, er könne später noch einmal anrufen, sagte sie, sie würde ihn zurückrufen, aber das könnte dauern.
Verblüfft legte er auf. Wen gab es denn noch? Es dauerte eine Weile, bis ihm Jax einfiel, hauptsächlich deshalb, weil er sich in ihrer Beziehung stets in der Rolle des Trösters gesehen hatte. Aber er hatte ja nichts zu verlieren, wenn er sich an ihn wandte. Vielleicht war Jax sogar froh über die Gelegenheit, sich ein wenig für all die Güte, die ihm entgegengebracht worden war, erkenntlich zu zeigen.
Und so war es dann auch. Schon nach wenigen Minuten kam er mit einer Flasche Rotwein herbeigeeilt. Lionel war so dankbar gewesen, dass er sich nicht einmal geziert hatte, als Jax sofort die Flasche öffnete und darauf bestand, dass er etwas trank. Und da dies »ein sehr ungewöhnlicher Anlass« war, war Jax bereit, ein Glas mit ihm zu trinken. Nun war die Flasche schon fast leer.
»Der ist ja wirklich köstlich.« Lionel leerte sein drittes Glas, ohne zu bemerken, dass Jax seins kaum angerührt hatte. »Das scheint den Schmerz tatsächlich ein wenig zu lindern.«
»Den hab ich von Mr. Fainlight
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