Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck
Skepsis registrierte.
»Keine Sorge«, sagte Cully zu ihrem Vater, als sie auf dem Weg zum Taxi ein Stück hinter den beiden anderen hergingen.
»Mum kommt schon damit zurecht. Niemand schafft es, Nudeln anbrennen zu lassen.«
Barnaby hatte nichts darauf gesagt. Seiner Meinung nach würde eine Frau, der sogar der Salat anbrannte, es schaffen, alles anbrennen zu lassen.
»Sie sehen heute Morgen ja beinahe richtig gutgelaunt aus, Chef.« Sergeant Troy kam herein und unterbrach Barnabys schwelgerische Erinnerungen. Er selbst hingegen sah gar nicht gut aus. Er wirkte ziemlich bleich und matt.
»Wir haben gestern Abend ein bisschen gefeiert«, sagte Barnaby. »Mein Schwiegersohn hat uns in London zum Essen eingeladen. Im River Cafe.«
»Davon hab ich gehört. Das am Fluss.«
»Genau das.«
»Maureen hat mal was darüber im Fernsehen gesehen.«
»Nico ist nämlich beim National angenommen worden.«
»Ist ja toll«, sagte Troy begeistert. National? National was?
Barnaby steckte eine Büroklammer um seine Papiere, dann sah er seinen Sergeant zum ersten Mal richtig an.
»Alles in Ordnung, Troy?«
»Sir?«
»Sie sehen ein bisschen blass aus.«
Sergeant Troy hatte in der Tat einen merkwürdigen und äußerst beunruhigenden Traum gehabt. Er hatte geträumt, er wäre aufgewacht, hatte versucht aufzustehen und festgestellt, dass er nichts weiter tun konnte, als den Kopf schwerfällig von einer Seite auf die andere zu rollen. Seine Glieder fühlten sich seltsam an, platt und leer wie bei einer unausgestopften Stoffpuppe. Dann sah er neben dem Bett einen ordentlich aufgeschichteten Stapel Knochen und wusste, dass es seine waren. Schaurig, was? Troy schob diesen Alptraum auf den Besuch im Krankenhaus. Und der Friedhof neben dem Pfarrhaus hatte wohl auch noch das Seine dazu beigetragen.
»Mir geht's gut, Chef.« Absurde Phantasien, selbst wenn sie unfreiwillig waren, behielt man am besten für sich. Bei der Polizei war man nicht gerade erpicht auf Neurotiker. Sergeant Troy trug seinen Trenchcoat zu dem altmodischen Garderobenständer und genoss dabei das Gefühl von warmem Fleisch auf lebendigen Knochen. »Haben Sie mit dem Krankenhaus gesprochen?«, fragte er.
»Ja. Man hat eine Computertomographie des Schädels gemacht und ein Blutgerinnsel entdeckt. Sie wird heute Morgen operiert.«
»Und was hat unser Mann vor Ort zu berichten?«
»Nichts los«, antwortete Barnaby. »Keiner kommt, keiner geht. Noch nicht mal der Briefträger. Jackson ist vermutlich immer noch im Haupthaus und >kümmert sich um Lionel<.«
»Das ist ja krank. Richtig dekadent.« Troy genoss es, das Wort dekadent benutzen zu können. Er hatte es Vor Jahren auf der Plattenhülle von Cabaret entdeckt. Erstaunlich, wie schwierig es doch war, dieses Wort locker in ein Gespräch zu werfen, wenn man bedachte, wie viel Dekadenz es um einen herum gab.
»Wenn wir es ganz vorsichtig formulieren, könnten wir es mit einem Appell an die Öffentlichkeit versuchen«, sagte Barnaby. »Wenn wir einfach das gestohlene Fahrrad beschreiben und angeben, wann es geklaut wurde und in welche Richtung derjenige vermutlich gefahren ist. Irgendwer muss ihn doch gesehen haben.«
»Wir könnten auch sagen, was er anhatte.«
»Um Gottes willen! Erstens wissen wir gar nicht, was er anhatte. Zweitens sollten wir jeden Hinweis auf Jackson vermeiden. Wenn wir ihn haben, will ich nicht, dass er wegen des Vorwurfs der Vorverurteilung wieder freikommt. Oder dass wir die Bürgerrechtsmeute am Hals haben.«
»Die Presse wird sich allerdings darauf stürzen. Das glaubt uns doch kein Mensch, dass wir uns bloß wegen eines gestohlenen Fahrrads an die Öffentlichkeit wenden.«
»Dann werden wir mauern. Wär nicht das erste Mal.« Barnaby schob seine Notizen in eine Aktenmappe, nahm seine Jacke von der Stuhllehne und zog sie an. Troy hielt ihm die Tür auf, und der DCI verließ mit großen Schritten sein Büro. Der eigentliche Arbeitstag hatte begonnen.
An diesem Morgen erschien Hetty wie gewohnt um neun Uhr im alten Pfarrhaus, allerdings ohne Candy. Sie konnte den Hund inzwischen wieder ganz gut alleine lassen, und da Mrs. Lawrence nicht da war, hatte Hetty das Gefühl, sie sollte den Reverend zumindest um Erlaubnis fragen, ob sie Candy mit zur Arbeit bringen dürfte.
Sie ging durch die vordere Tür hinein und marschierte schnurstracks in die Küche. Dort stieß sie auf
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