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Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck

Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck

Titel: Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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offenbar nicht den Wunsch, mit ihm in Kontakt zu bleiben. Eine häufige Klage beim Frühstück war, dass der und der immer noch nicht auf Lionels zweiten (oder dritten) Brief geantwortet hätte.
      Kirchenangelegenheiten spielten schon lange keine große Rolle mehr, aber es kamen ständig irgendwelche Schreiben im Zusammenhang mit den wohltätigen Organisationen, für die Lionel sich einsetzte, außerdem Zeitschriften (heute der New Statesman) und Bittbriefe. Zwei Briefe waren für sie. Einer kam, wie sie sofort sah, von einer betagten Großtante aus Northumberland, die immer im August schrieb, um Ann daran zu erinnern, dass bald der Geburtstag ihrer Mutter sei und sie nicht vergessen dürfe, für sie zu beten. Auf dem anderen stand lediglich ihr Name. Keine Adresse. Irgendwer musste ihn durch die Tür geschoben haben. Das taten die Leute oft, besonders am Abend, wenn sie nicht mehr stören wollten. Ann nahm den Brief mit zum Platz am Fenster im Wohnzimmer und öffnete ihn.
      An diesen Augenblick sollte sie sich für den Rest ihres Lebens erinnern: an das Leuchten der dunkellila Malven, die sich an das Fenster schmiegten, an den Staubkranz auf dem Boden neben ihrem Pantoffel und daran, wie der mit Petit point bestickte Bezug des Sitzes an ihren Beinen kratzte, während sie dasaß und das dünne, leicht angeschmutzte Blatt Papier auseinanderfaltete.
      Für den Bruchteil einer Sekunde starrte sie lediglich verwundert auf die seltsamen ausgeschnittenen Worte, die ziemlich unordentlich aufgeklebt waren. War das eine neue Form von Wurfsendung? Eine neue Art der Werbung? Erst dann las sie die Worte hintereinander, um zu sehen, ob sie einen Sinn ergaben.
      In ihrem Kopf fing es an zu dröhnen. Ihr Herz setzte mehrere Schläge aus, als ob es von einer kräftigen Faust getroffen worden wäre. Sie schnappte nach Luft. Dann las sie die Worte noch einmal. »Hab gesehen wie Sie sie gestoßen haben.«
      Ann spürte auf einmal eine ungeheure Kälte. Eine saure Flüssigkeit schoss ihr in den Mund. Um sich nicht zu übergeben oder ohnmächtig zu werden, legte sie den Kopf auf die Knie. Während sie zusammengekauert und zitternd dasaß, fiel ein Schatten auf den Teppich.
      »Ist Ihnen nicht gut, Mrs. Lawrence?«
      »Was?« Ann hob den Kopf. Dann sprang sie auf. Das Blatt fiel mit der Vorderseite nach oben auf den Teppich. »Was wollen Sie hier?«
      Ein Mann stand in der Tür, eine Hand lässig gegen den Rahmen gelehnt. Es war ein äußerst gut aussehender junger Mann mit kurzem welligem Haar von einem so hellen Blond, dass es fast weiß war, und betörend blauen Augen. Auf seinem Unterarm hatte er eine erstaunlich feine Tätowierung, eine Libelle mit azurblauen und leuchtend grünen Flügeln, der Körper ein schwarzes Ausrufezeichen. Er nahm seine verbeulte Jeanskappe ab. Selbst diese scheinbar höfliche Geste hatte etwas Beleidigendes.
      »Lionel wollte den Wagen um elf Uhr haben, aber er springt nicht an. Liegt wohl am Vergaser.«
      »Sie sollen doch telefonisch Bescheid sagen.« Ihre Stimme überschlug sich. Das hatte er noch nie getan. Er war noch nie ins Haus gekommen. Und nun ausgerechnet heute.
      »Das Telefon ist im Arsch.« Er lächelte, als Anns Wangen sich rot verfärbten. »Ich bin in die Küche gegangen, um Mrs. L Bescheid zu sagen, aber sie war nicht da.«
      Nachdem er seine Erklärung abgegeben hatte, machte der junge Mann keinerlei Anstalten zu gehen. Er schob beide Daumen in den Bund seiner Jeans und starrte Ann mit gespieltem Respekt an. Das Zimmer schien plötzlich viel kleiner zu sein, und es lag eine Spannung in der Luft, die sie nicht wahrnehmen wollte.
      »Ich werde es meinem Mann ausrichten.«
      »Yeah. In Ordnung.« Er rührte sich immer noch nicht.
      Ann sah keine Möglichkeit, wie sie das Zimmer verlassen konnte. Auf keinen Fall würde sie an dieser schlanken Gestalt vorbeihuschen, die so leger im Türrahmen lehnte. Sie zwang sich, ihn anzusehen, die Unverschämtheit, ja den Hass in diesen strahlenden Augen wahrzunehmen, dann schob sie alles auf ihren gegenwärtigen Gemütszustand.
      »Sie haben Ihren Brief fallen lassen.«
      Sie hob ihn hastig auf und knüllte ihn zusammen. Hatte er gesehen, was darin stand? Unmöglich auf diese Entfernung. Sie stopfte das Blatt in die Tasche ihres Morgenmantels und meinte dann mit gequälter Stimme:
      »Sie können jetzt gehen ... äh ... Jax.«
      »Ich weiß, Mrs. Lawrence. Das brauchen Sie mir nicht extra zu

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