Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck
- wie sagte man doch gleich? Abgelenkt gewesen? Zerstreut? Nein, er war einer Verschleppungstaktik aufgesessen. War blockiert gewesen, noch bevor er den Versuch gemacht hatte, ernsthafte oder relevante Fragen zu stellen, wenn er gewusst hätte, welche.
In diesem Stadium spielte das jedoch keine Rolle. Er könnte sich jeden einzeln oder beide zusammen jederzeit noch einmal vornehmen. Doch was war der Zweck dieses ausgiebigen und wirkungsvollen Ablenkungsmanövers gewesen? Bestimmt nicht, da war sich der Chief Inspector sicher, um nicht weiter über Charlie Leathers reden zu müssen. Und warum hatte sie dieses ganze Zeug über ihren finanziellen Hintergrund zum Besten gegeben? Sie schien ihm eigentlich eher diskret. Sollte das ihn davon ablenken, Fragen über ihren Bruder zu stellen? Einen Mann, der ganz gewiss in der Lage wäre, eine Garrotte stramm zu ziehen. Bei diesen enorm muskulösen Armen und Schultern schaffte der das vermutlich sogar noch mit einer Hand auf den Rücken gebunden. Was auch immer der Grund für ihr Verhalten sein mochte, Barnaby war neugierig geworden.
Troy löste die Handbremse, legte den ersten Gang ein und fuhr holpernd vom Parkplatz des Red Lion.
»Versuchen Sie doch bitte, nicht gegen diesen Campingbus zu fahren.«
Troy kniff angesichts dieser Ungerechtigkeit die Lippen zusammen. Er war ein guter Fahrer, erstklassig. So was passierte nur, wenn er mit dem Chef zusammen war. Dessen Kritik machte ihn nervös. Es war das Gleiche wie mit Maureen. Und mit seiner Mutter. Und letztlich auch mit seinem Vater. Eigentlich fuhr er nur so richtig gut, wenn er allein war. Aber das konnte man den Leuten ja nicht erklären. Das glaubten die einem nie.
Ein wunderbarer Geruch begrüßte den Chief Inspector, als er Arbury Crescent Nummer 17 betrat. Was bedeutete, dass seine geliebte Frau Joyce nicht kochte. Wer könnte es dann sein? Vermutlich Mr. Marks und Mr. Spencer. Oder wenn er ganz großes Glück hatte ...
»Cully!«
»Hallo, Dad.« Sie gab ihm unbefangen einen dicken Kuss und wandte sich wieder dem Kochtopf zu. »Du hast abgenommen.«
»Tatsächlich?« Barnaby sagte das ganz beiläufig, war insgeheim jedoch erfreut. Bei der letzten Untersuchung hatte George Bullard ihm erklärt, dass etwa dreißig Pfund runter müssten. Zu Hause weniger zu essen war kein Problem, aber er neigte dazu, das Darben zu Hause dadurch auszugleichen, dass er in der Kantine ordentlich zulangte. »Ich hab eine Kohlsuppendiät gemacht.«
»Igitt!« Cully schauderte theatralisch. »Und wie läuft der neue Fall so?«
»So lala. Ich hab heute Nachmittag mit einer berühmten Persönlichkeit gesprochen.«
»Mit wem denn?«
»Mit Valentine Fainlight. Er schreibt...«
»Ich weiß. Ich hab ihn mal kennen gelernt.«
»Tatsächlich?«
»Bei einer Premierenparty vor drei oder vier Jahren. Er kam mit Bruno Magellan.«
»Mit wem?«
»Ein wunderbarer Bühnenbildner. Ich glaube, sie waren eine ganze Weile zusammen.«
»Er lebt jetzt mit seiner Schwester zusammen.«
»Ja, Bruno ist an Aids gestorben. Das war sehr traurig.«
Barnaby ging in den Flur, um Wein zu holen. Er kam mit einer Flasche 96er Montzinger Dindarello zurück, öffnete sie und schenkte ein.
»Hast du irgendwas von diesem Werbespot gehört?«
»Nein. Ich warte immer noch. Lass mir immer noch nicht die Haare schneiden. Aber Nico soll am Samstag beim National Theatre vorsprechen.«
»Wie schön für Nicolas.« Sie stießen mit den Gläsern an. »Wo ist er überhaupt?«
»Mit Mum unterwegs, >das Geschenk< kaufen.« Cullys Stimme hatte einen sarkastischen Unterton, und sie malte ironische Anführungszeichen in die Luft. Ihre Eltern hatten in weniger als einem Monat silberne Hochzeit.
»Ich dachte immer, Geschenke sollten eine Überraschung sein.«
»Sind sie auch. Es geht um dein Geschenk von Mum. Du kaufst eins für sie ...«
»Ich weiß, ich weiß. Übrigens danke für deine Hilfe.«
Cully hatte ihren Vater mit einem Freund aus ihrer Studentenzeit bekannt gemacht, Dodie Mclntosh, der mittlerweile ein erfolgreicher Silberschmied war, und Barnaby hatte einen ovalen silbernen Handspiegel für seine Frau in Auftrag gegeben. Es war ein sehr schönes Design. Joyces Initialen waren ineinander verschlungen in ein Herz graviert, das von einer Girlande aus Maiglöckchen, ihren Lieblingsblumen, umschlossen war. Die sorgfältig bis ins Detail
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