Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
soweit bekannt nicht miteinander in Zusammenhang stehende Todesfälle eintreten.«
Sie kratzte sich am Kopf. »Ich kann da nichts erkennen. Sonst noch weitere Besitzer von weißen Mercedes-Wagen?«
»Sie meinen: Hat irgendein aktenkundiger Serienmörder in letzter Zeit einen gekauft oder gemietet?« Sie lächelte. »Ich arbeite gerade dran«, fuhr Rebus fort. »Bislang ist der einzige Name, den ich habe, Margolies.« Er dachte gleichzeitig, Kollegin Jane Barbour fuhr einen cremefarbenen Wagen, einen Ford Mondeo...
»Aber es sind doch wohl mehr weiße Mercedesse in Umlauf?« Rebus nickte. »Aber Jamies Beschreibung des Mannes klingt ganz verdammt nach Jims Vater.«
»Sie haben ihn auf der Beerdigung gesehen?«
Rebus nickte. Und auf einem Kinder Schönheitswettbewerb, hätte er hinzufügen können. »Er ist pensionierter Arzt.«
»Vom Schmerz über den Selbstmord seines Sohnes überwältigt, beschließt er, das Gesetz selbst in die Hand zu nehmen?«
»Alles Böse auszumerzen, um gegen die Ungerechtigkeit des Lebens zu protestieren.«
Sie lächelte breit. »Das können Sie sich auch nicht vorstellen, oder?«
»Nein, kann ich nicht.« Er warf seinen Stift auf den Schreibtisch.
»Um ehrlich zu sein, kann ich mir überhaupt nichts vorstellen. Und das heißt: Zeit für eine Pause.«
»Kaffee?«, schlug sie vor.
»Ich hatte eigentlich an etwas Stärkeres gedacht.« Er sah ihren Blick.
»Aber fürs Erste wird's auch ein Kaffee tun.«
Er ging auf den Parkplatz, um eine Zigarette zu rauchen, aber das endete dann damit, dass er in den Saab sprang und losfuhr: die Pleasance lang, quer über die High Street und an der Waverley Station vorbei. Er suchte die George Street in westlicher Richtung ab, wendete dann über den durchgezogenen Strich und fuhr in östlicher Richtung wieder zurück. Janice saß auf dem Bordstein, den Kopf in die Hände gestützt. Die Passanten sahen sich nach ihr um, aber niemand blieb stehen, um sie zu fragen, ob sie Hilfe brauche.
Rebus fuhr an den Straßenrand, damit sie einsteigen konnte.
»Ich weiß, dass er hier ist«, wiederholte sie ständig. »Ich weiß es.«
»Janice, das nützt keinem von euch beiden etwas.«
Ihre Augen waren blutunterlaufen, wie wund vom vielen Weinen.
»Was weißt du schon davon? Hast du jemals ein Kind verloren?«
»Sammy hätte ich beinah verloren.«
»Hast du aber nicht!« Sie wandte sich von ihm ab. »Du hast nie was getaugt, John. Herrgott, du konntest nicht mal Mitch helfen, und dabei war er angeblich dein bester Freund. Die haben ihn damals beinah zum Krüppel geschlagen!«
Sie hatte noch jede Menge zu sagen, jede Menge Gift zu verspritzen. Er ließ sie reden, seine Hände lagen dabei auf dem Lenkrad. Irgendwann versuchte sie auszusteigen, aber er zog sie ins Auto zurück.
»Komm schon«, sagte er. »Hau mir mehr um die Ohren. Ich hör dir zu.«
»Nein!«, stieß sie hervor. »Und weißt du, warum? Weil ich felsenfest davon überzeugt bin, dass es dir Spaß macht!« Als sie diesmal die Tür öffnete, unternahm er keinen Versuch, sie aufzuhalten. Sie bog um die nächste Ecke und verschwand in Richtung Neustadt. Rebus wendete den Wagen, bog nach rechts in die Castle und dann nach links in die Young Street. Hielt vor der Oxford Bar und ging hinein. Doc Klasser stand an seinem üblichen Platz. Die Nachmittagstrinker hatten gerade Schicht: Die meisten von ihnen würden gegen fünf, sechs verschwinden, wenn das Lokal sich mit Büroangestellten zu füllen begann. Barkeeper Harry erkannte Rebus und hielt ein Pintglas in die Höhe. Rebus schüttelte den Kopf.
»Einen Kurzen, Harry«, sagte er. »Und messen Sie ihn möglichst christlich ab.«
Er setzte sich ins Nebenzimmer. Kein Mensch da außer dem Schriftsteller - dem mit der Tasche voller Bücher. Er schien das Lokal als Arbeitszimmer zu benutzen. Ein paar Mal hatte Rebus ihn gefragt, welche Bücher er lesen solle. Er hatte sich die empfohlenen Titel besorgt, sie aber nicht gelesen. Heute schien keiner von ihnen beiden auf Gesellschaft aus zu sein. Rebus hockte allein da mit seinem Drink und seinen Gedanken. Er dachte an das letzte Schulfest, vor mehr als dreißig Jahren. An seine eigene Version der Geschichte...
Mitch und Johnny hatten einen Plan. Sie würden zum Militär gehen, ein bisschen was erleben. Mitch hatte sich Informationsmaterial zuschicken lassen, war dann nach Kirkcaldy ins Rekrutierungsbüro gefahren. Die Woche darauf hatte er Johnny mitgenommen. Der Werbesergeant erzählte ihnen Witze
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