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Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten

Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten

Titel: Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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worden.
    Die Kirche hatte eine eigene interne Untersuchung in die Wege geleitet, die zu dem Ergebnis gelangt war, die Behauptungen der Kinder seien ein einziges böswilliges Lügengebäude. Aber wie sich jetzt allmählich herausstellte, hatte diese Untersuchung lediglich Alibifunktion gehabt und weniger der Aufdeckung von Missständen als vielmehr deren Vertuschung dienen sollen. In Shiellion war etwas passiert. Etwas Schlimmes. Die Opfer hatten eine Interessengruppe gebildet und die Aufmerksamkeit der Medien erregt. Die Polizei leitete neue Ermittlungen ein, und das war nun das Resultat: der Shiellion- Prozess; zwei Männer, denen je achtundzwanzig Straftaten zur Last gelegt wurden, die von Körperverletzung bis hin zu Unzucht reichten. Und die Opfer bereiteten inzwischen eine Zivilklage gegen die Church of Scotland vor.
    Rebus wunderte es nicht, dass der Wachmann so blass war. Er hatte über die Geschichten, die in Verhandlungsraum eins referiert wurden, selbst schon einiges munkeln hören. Er hatte ein paar der ursprünglichen Aussagen von ehemaligen - inzwischen erwachsenen - Heiminsassen gelesen, die nach und nach in verschiedenen schottischen Polizeiwachen aufgenommen und protokolliert worden waren. Manche dieser Zeugen hatten mit der ganzen Sache nichts zu tun haben wollen. »Das habe ich alles hinter mir«, war eine häufig gehörte Ausrede. Nur dass es mehr als eine Ausrede war: Es war die schlichte Wahrheit. Sie hatten hart daran gearbeitet, die Albträume ihrer Kindheit zu bewältigen: Warum hätten sie sie jetzt aufs Neue durchleiden sollen? Sie hatten zu einer Art Frieden gefunden - einem prekären, fragilen Frieden. Warum hätten sie ihn aufs Spiel setzen sollen?
    Wer würde sich schon dazu bereit erklären, in einem Gerichtssaal dem Grauen ins Gesicht zu sehen - wenn er sich auch weigern konnte?
    Ja, wer.
    Die Gruppe der »Überlebenden« umfasste acht Personen, die sich für den schwierigeren Weg entschieden hatten. Sie würden dafür sorgen, dass nach all den Jahren endlich Gerechtigkeit geschah. Sie würden die zwei Bestien hinter Gitter bringen, die - wann immer sie aus ihren Albträumen erwachten - noch immer da waren.
    Harold Ince war siebenundfünfzig, klein, dürr und bebrillt, mit lockigem, ergrauendem Haar. Er hatte eine Frau und drei erwachsene Kinder. Er war Großvater und seit sieben Jahren arbeitslos. Auf allen Fotos, die Rebus von ihm kannte, wirkte sein Gesichtsausdruck benommen.
    Ramsay Marshall war vierundvierzig, groß und stämmig, Haare kurz geschoren und borstig. Geschieden, keine Kinder, hatte bis vor kurzem in Aberdeen gewohnt und (als Koch) gearbeitet. Die Fotos zeigten ein finster dreinblickendes Gesicht mit vorstehendem Kinn.
    Die zwei Männer hatten sich Anfang der Achtziger Jahre in Shiellion kennen gelernt und angefreundet - oder zumindest so etwas wie eine Allianz gebildet. Sie hatten ihr gemeinsames Interesse entdeckt, ein Interesse, dem sie, wie es aussah, in Shiellion House ungestraft frönen konnten.
    Kinderschänder. Rebus fand sie zum Kotzen. Sie ließen sich weder heilen noch ändern. Sie machten einfach immer nur weiter. Sobald man sie wieder auf die Gesellschaft losließ, kam ihre wahre Natur zum Vorschein. Sie waren Machtfreaks, charakterschwach und einfach widerlich. Wie Süchtige, die durch nichts von ihrem Stoff abgebracht werden konnten. Es gab keine legale Ersatzdroge, und keine noch so lange Therapie schien etwas zu bewirken. Sie erkannten Schwäche und mussten sie einfach ausnutzen; sahen Unschuld und mussten sie ausbeuten. Rebus hatte von ihnen die Nase gestrichen voll.
    Wie von Darren Rough. Rebus wusste, dass er im Zoo nur wegen der Shiellion-Sache ausgerastet war, weil sie einfach nicht aufhörte. Der Prozess lief schon in der dritten Woche, und noch immer gab es Geschichten, die erzählt werden mussten, noch immer gab es Menschen, die im Warteraum weinten.
    »Chemische Kastration«, meinte der Wachmann und drückte seine Zigarette aus. »Ist die einzige Lösung.«
    Von der Tür des Gerichtsgebäudes erklang eine Stimme: eine Gerichtsdienerin.
    »Inspektor Rebus?«, rief sie. Rebus nickte, schnippte seine Zigarette auf die Steinplatten.
    »Sie sind dran«, rief sie. Er ging schon auf sie zu.
    Rebus wusste nicht, warum er da war. Außer, dass er Harold Ince vernommen hatte. Oder, besser gesagt, Teil des Vernehmungsteams gewesen war. Nur einen Tag lang, noch ganz am Anfang der Ermittlungen - andere Arbeit hatte ihn von Shiellion abgezogen. Sein Partner

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