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Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten

Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten

Titel: Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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trotzdem nicht.« Rebus hob das Fax auf. »Nach dem, was da steht, ist Oakes gar nicht hier geboren, hat keinerlei Angehörige hier. Er hat hier lediglich, na, vier, fünf Jahre lang gelebt. Ist mit zwanzig in die Staaten, hat fast sein halbes Leben dort verbracht. Was will er also hier?« Der Farmer zuckte die Schultern. »Einen Neuanfang versuchen?« Einen Neuanfang: Rebus dachte an Darren Rough.
    »Da muss mehr dahinterstecken, Sir«, sagte Rebus, während er wieder die Akte aufschlug. »Es kann nicht anders sein.«
    Der Farmer warf einen Blick auf die Uhr. »Müssen Sie nicht aufs Gericht?«
    Rebus nickte. »Pure Zeitverschwendung, Sir. Die werden mich gar nicht aufrufen.«
    »Trotzdem, Inspector...«
    Rebus stand auf. »Was dagegen, wenn ich das hier mitnehme?« Und wedelte mit dem Stoß Faxe. »Sie sagten doch, ich sollte mich mit Lesestoff eindecken.«
11
    Rebus saß zusammen mit anderen Zeugen in anderen Strafsachen herum und wartete wie sie darauf, aufgerufen zu werden. Da waren Uniformierte, die ihre Notizen noch einmal memorierten, und CID- Beamte, die sich, die Arme verschränkt, um Lässigkeit bemühten.
    Rebus kannte ein paar der Anwesenden, unterhielt sich leise mit einigen von ihnen. Die Vertreter der Öffentlichkeit saßen mit zwischen den Knien verschränkten Händen oder mit starr an die Decke gerichtetem Blick da und langweilten sich zu Tode. Zeitungen - schon durchgelesene, mit ausgefüllten Kreuzworträtseln - lagen verstreut herum. Ein paar zerfledderte Taschenbücher hatten Interessenten gefunden, aber bald wieder verloren. Die Atmosphäre hatte etwas an sich, das einem jeglichen Enthusiasmus aus der Seele saugte.
    Von der Beleuchtung bekam man Kopfschmerzen, und man fragte sich die ganze Zeit, wozu man eigentlich hier war.
    Antwort: um der Gerechtigkeit zu dienen.
    Und irgendwann kam ein Gerichtsdiener hereingeschlurft und rief, den Blick auf ein Klemmbrett gerichtet, einen auf. Und dann begab man sich knarrenden Schritts in den Verhandlungsraum, wo irgendwelche Unbekannte, die für Richter, Geschworene und Publikum ihre Schau abzogen, nur darauf warteten, einem lahmen Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen.
    Das war Gerechtigkeit.
    Rebus direkt gegenüber saß ein Zeuge, der fortwährend in Tränen ausbrach. Es war ein junger Mann, vielleicht Mitte zwanzig, korpulent und mit schütterem schwarzem, in dünnen Strähnen am Schädel angeklatschtem Haar. Er schnauzte sich andauernd lautstark in ein schmutziges Taschentuch. Als er einmal aufsah, lächelte ihm Rebus aufmunternd zu, aber das brachte ihn bloß wieder zum Heulen. Schließlich musste Rebus raus. Er sagte einem der Uniformierten, er gehe eine rauchen.
    »Ich komm mit«, meinte der Uniformierte.
    Draußen rauchten sie verbissen, schweigend und beobachteten den Gezeitenstrom der Menschen, die im Gebäude ein und aus fluteten. Das Oberste Strafgericht lag versteckt hinter der St.-Giles- Kathedrale, und gelegentlich verirrten sich Touristen dorthin und fragten sich, was das wohl sein mochte. Es waren nirgendwo Schilder zu sehen, lediglich römische Zahlen über den verschiedenen wuchtigen Holztüren. Ein Parkplatzwächter wies den Versprengten gelegentlich den Weg zurück zur High Street. Auch wenn das Gerichtsgebäude grundsätzlich der Öffentlichkeit zugänglich war, bemühte man sich, Touristen vom Betreten abzuhalten. Die Great Hall war schon so der reinste Viehmarkt. Trotzdem gefiel sie Rebus: Ihm gefiel die geschnitzte Holzdecke, das Denkmal zu Ehren Sir Walter Scotts, das riesige Buntglasfenster. Er spähte gern durch die Glastür in die Bibliothek, wo die Anwälte in großen staubigen Wälzern nach Präzedenzfällen suchten.
    Noch lieber war er aber an der frischen Luft - Pflastersteine unter den Füßen und graue Steinmauern im Rücken, Nikotin in der Lunge und dazu die Illusion, er könnte, wenn er nur wollte, gehen und das alles hinter sich lassen. Denn die Sache war die, dass sich hier hinter all der architektonischen Pracht, der Wucht der Tradition und den erhabenen Begriffen »Recht« und »Gerechtigkeit« eine Stätte unbeschreiblichen, niemals endenden menschlichen Leidens verbarg, wo tagtäglich brutale Geschichten ans Licht gezerrt und entsetzliche Bilder immer wieder heraufbeschworen wurden. Menschen, die glaubten, sie hätten endlich alles hinter sich gelassen, wurden dazu aufgefordert, wieder in die geheimsten und tragischsten Momente ihrer Vergangenheit einzutauchen. Die Opfer erzählten ihre Geschichten; die

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