Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
vertrieben«, entgegnete er.
Der Zollbeamte hatte den Inhalt seiner Tasche nach und nach auf den Schaltertisch geleert. Kulturbeutel, was zum Wechseln, ein paar Sexheftchen. Ein brauner Umschlag war voll von Zeichnungen und aus Illustrierten ausgeschnittenen Fotos. Sie sahen so aus, als hätten sie ziemlich lange an einer Wand gehangen. Eine Glückwunschkarte war auch dabei: Sie riet ihm, »steil nach oben und schnurgeradeaus zu fliegen«, und war mit »deine Kumpels vom Block« unterzeichnet. Ein Aktendeckel enthielt Prozessunterlagen und ausgeschnittene Prozessberichte aus der Zeitung. Außerdem gab es noch zwei Taschenbücher: eine Bibel und ein Wörterbuch. Beide zeigten deutliche Gebrauchsspuren.
»Leichtes Gepäck, das ist mein Motto«, informierte Oakes die beiden.
Der Zollbeamte sah zu Rebus, der ihm, ohne die Augen von Oakes zu wenden, mit einem Nicken antwortete. Alles wurde wieder in der Tasche verstaut.
»Das nenne ich wirklich unaufdringlich«, sagte Oakes. »Und glauben Sie nicht, ich wüsste es nicht zu schätzen. Fürs Erste freue ich mich auf ein ruhig-beschauliches Leben.« Er nickte vor sich hin.
»Rechnen Sie nicht damit, hier alt zu werden«, sagte Rebus leise.
»Ich glaube nicht, dass wir uns schon vorgestellt worden sind, Officer.« Oakes streckte die Hand aus. Rebus sah, dass der Handrücken mit primitiven Tätowierungen übersät war: Initialen, Kreuzen, einem Herzen. Nach einem Augenblick zog Oakes die Hand wieder zurück und lachte in sich hinein. »Ist wohl nicht so einfach, neue Freundschaften zu schließen«, sinnierte er. »Ich hab wohl meine guten alten Umgangsformen verlernt.«
Der Zollbeamte zog den Reißverschluss der Sporttasche zu. Oakes packte den Griff.
»So, meine Herren, wenn Sie jetzt Ihren Spaß gehabt haben...?«
»Was ist Ihr nächstes Ziel?«, fragte der Einwanderungsbeamte.
»Ein nettes Hotel in der Stadt. Von nun an heißt es für mich nur noch Hotels. Die wollten mich in irgendeinen Palast auf dem Land stecken, aber ich hab nein gesagt. Ich will bunte Lichter und Action. Ich will, dass was los ist.« Er lachte wieder.
»Wer sind ›die‹?«, konnte sich Rebus nicht verkneifen zu fragen. Oakes zwinkerte bloß und grinste. »Sie werden's schon noch rauskriegen, Partner, und sich dabei nicht mal besonders anstrengen müssen.« Er wuchtete die Tasche hoch, hängte sie sich über die Schulter und reihte sich in die Schlange ein, die zum Ausgang drängte.
Rebus hängte sich dran. Die Reporter draußen zückten ihre Kameras und kamen auf ihre Kosten, auch wenn Oakes sich die Baseballkappe tief ins Gesicht gezogen hatte. Fragen prasselten auf ihn ein. Und dann drängte sich ein übergewichtiger Mann mit Zigarette im Mundwinkel nach vorn. Rebus erkannte in ihm Jim Stevens. Er arbeitete für eines der Glasgower Boulevardblätter. Er packte Oakes am Arm und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Sie schüttelten sich die Hand, und dann übernahm Stevens die Regie. Er lotste Oakes mit besitzergreifender Hand durch das Gedränge.
»Mann, Jim, Herrgott noch mal«, rief einer der Reporter.
»Kein Kommentar«, sagte Stevens mit wackelnder Zigarette im Mundwinkel. »Aber ihr könnt unsere Exklusivserie lesen: erste Folge morgen.«
Und mit einem Abschiedswinken verschwand er durch die Tür.
Rebus nahm einen anderen Ausgang, setzte sich in den Wagen neben den Farmer.
»Scheint einen Freund gefunden zu haben«, kommentierte Siobhan Clarke, während sie beobachtete, wie Stevens Oakes' Tasche in den Kofferraum eines Vauxhall Astra lud.
»Jim Stevens«, sagte Rebus zu ihr. »Glasgower Journalist.«
»Und Oakes ist jetzt sein Eigentum?«, tippte sie.
»Sieht jedenfalls so aus. Ich glaube, sie fahren in die Stadt.«
Der Farmer schlug mit der Hand aufs Armaturenbrett. »Hätte ich mir denken können, dass eine der Zeitungen ihn sich schnappen würde.«
»Ewig werden sie ihn nicht festhalten. Sobald sie die Story ausgeschlachtet haben...«
»Aber bis es so weit ist, haben sie ihre Anwälte.« Der Farmer wandte sich an Rebus. »Wir dürfen also nichts unternehmen, was als Schikane ausgelegt werden könnte.«
»Wie Sie wünschen, Sir«, sagte Rebus und ließ den Motor an. Er wandte sich zum Farmer. »Geht's jetzt also nach Hause?«
Der Farmer nickte. »Sobald wir sie bis zu ihrem Bestimmungsort verfolgt haben. Stevens soll ruhig wissen, wie die Sache steht.«
»Da fährt ein Bullenauto hinter uns her«, warnte Cary Oakes.
Jim Stevens griff nach dem Zigarettenanzünder. »Ich
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