Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
Hände in die Taschen gesteckt und starrte auf die Windschutzscheibe. »Vor siebzehn Jahren«, antwortete er. »Auf den Monat genau siebzehn Jahre. Sie hieß Deirdre Campbell.«
»Haben Sie an dem Fall gearbeitet?«
Wieder schüttelte Archibald den Kopf. »War zu dem Zeitpunkt nicht möglich.« Er atmete tief durch. »Der Mörder wurde nie gefasst.«
»Sie wurde erwürgt?«
»Niedergeknüppelt, dann erwürgt.«
Rebus erinnerte sich an Oakes' modus operandi . Wieder war es so, als könnte Archibald seine Gedanken lesen.
»Ähnlich«, sagte er.
»War Oakes damals im Land?«
»Es passierte unmittelbar vor seiner Abreise in die Staaten.« Rebus stieß einen leisen Pfiff aus. »Hat er gestanden?« Archibald setzte sich um. »Nicht direkt. Als er in den Staaten verhaftet wurde, habe ich den Prozess mitverfolgt, Ähnlichkeiten festgestellt. Ich bin rübergeflogen, um ihn zu vernehmen.«
»Und?«
»Und er hat seine Spielchen mit mir getrieben. Lächelnde Andeutungen, Halbwahrheiten und Märchen. Er hat mich ganz schön an der Nase herumgeführt.«
»Ich dachte, Sie hätten gar nicht an dem Fall gearbeitet?«
»Hab ich auch nicht. Nicht offiziell.«
»Kapier ich nicht.«
Archibald betrachtete seine Fingerspitzen. »All die Jahre, die er im Knast gewesen ist, bin ich auf seine Spielchen eingegangen. Weil ich sicher bin, dass ich ihn zermürben kann. Er weiß nicht, wie hartnäckig ich sein kann.«
»Und jetzt ruft er Sie mitten in der Nacht an?«
»Und liefert mir weitere Geschichten.« Ein halbes Lächeln. »Aber er scheint nicht zu begreifen, dass wir auf einem anderen Brett spielen. Jetzt ist er in Schottland. Jetzt gelten meine Regeln.« Eine Pause.
»Ich habe ihm gesagt, er soll mit mir nach Hillend rausfahren.« Rebus starrte Archibald an. »Der Mann ist ein Killer. Die Psychoberichte sagen, dass er's wieder tun wird.«
»Er tötet die Schwachen. Ich bin nicht schwach.«
Rebus war sich da nicht so sicher. »Vielleicht hat er sich inzwischen auf ein anderes Spiel verlegt«, sagte er.
Archibald schüttelte den Kopf. Er sah wie ein Besessener aus. Herrgott, Rebus hätte ein Buch zu dem Thema schreiben können:
Fälle, die einen packten und nicht wieder losließen; ungelöste Fälle, die einen die ganzen langen schlaflosen Nächte verfolgten. Man ging sie immer und immer wieder durch, siebte, sichtete jedes einzelne Krümelchen, suchte nach Auffälligkeiten...
»Trotzdem kapier ich's nicht«, sagte Rebus. »Sie waren damals nicht mit dem Fall befasst... wie kommt's dann, dass Sie...«
Und dann erinnerte er sich. Er hätte früher darauf kommen sollen. Damals hatte die Geschichte die Runde gemacht, war während der Spurensuche auf dem Hügel von Mann zu Mann weitergegeben worden.
»O Scheiße«, sagte Rebus. »Das war Ihre Nichte...«
17
Es war nicht schwer gewesen, im Hotel ein leeres Zimmer zu finden. Die Tür aufzuschließen geradezu ein Klacks. So kam es, dass Cary Oakes im Dunkeln am Fenster saß - an einem Fenster, das Detective Inspector John Rebus nicht beobachtete. Er musste lächeln: Ohne es zu merken, war der Beobachter zum Beobachteten geworden.
Auf seinem Schoß lag ein Stadtplan. Er hatte Stevens erzählt, er brauchte einen, um sich mit der Stadt wieder vertraut machen zu können. Schon vorher hatte Stevens beiläufig erwähnt, dass Rebus früher in der Arden Street gewohnt hatte und vielleicht noch immer da wohnte. Arden Street in Marchmont. Seite 15, Planquadrat 6G. Alan Archibald wohnte in Corstorphine oder hatte da jedenfalls gewohnt, als er Oakes ins Gefängnis geschrieben hatte. In all diesen Briefen hatte er dem Sträfling seine Telefonnummer nicht einmal verraten. Oakes hatte weniger als einen Tag gebraucht, um sie herauszufinden. Die Macht des Wissens; immer wieder seinen Gegner überraschen - das war das Geheimnis jedes Spiels.
Oakes beobachtete die zwei Männer, die sich im Auto unterhielten. Er verspürte einen gewissen Stolz, fast so, als leitete er eine Partnervermittlung. Er hatte die beiden zusammengeführt; er war sich sicher, dass sie gut miteinander auskommen würden. Sie saßen eine Stunde lang da, teilten sich sogar einen heißen Becher aus der Thermoskanne. Dann fuhr ein Streifenwagen vor - Rebus musste ihn über Funk angefordert haben. War das nicht aufmerksam? Bekam der pensionierte Detective doch tatsächlich eine Heimfahrt spendiert. Archibald war gut gealtert, vielleicht aus reiner Bosheit. Oakes wusste sehr wohl, dass er längst nicht so frisch aussah wie an
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