Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
Umschlag ausgehändigt, dann war das Taxi wieder losgefahren. Prydes Vermutung: Kassette mit dem ersten Interview auf dem Weg in die Redaktion.
Als das Taxi verschwunden war, hatten Stevens und Oakes einen Spaziergang durch den Hafen von Leith gemacht. Pryde war ihnen zu Fuß gefolgt. Sie schienen lediglich etwas Zeit totzuschlagen, sich eine Verschnaufpause zu gönnen. Dann zurück zum Hotel. Siobhan Clarke, die Rebus dazu überredet hatte, mit ihm die Schicht zu tauschen, war um zwölf Uhr Mittag gekommen. Nicht dass sie sich groß geziert hätte: »Nachts bin ich am liebsten in meinem eigenen Bett«, hatte sie gesagt.
Der Nachmittag war weitgehend so wie der Vormittag verlaufen: die zwei Männer in Klausur im Hotel; Taxi holt Umschlag ab; die zwei Männer machen eine Pause. Außer dass sie diesmal stadteinwärts gegangen waren und Station in einer Kirche in Pilrig gemacht hatten. Rebus sah Frazer an.
»In einer Kirche}«-
Frazer zuckte bloß die Achseln. Nach der Kirche waren sie weiter zum John Lewis's und hatten für Oakes Klamotten eingekauft. Auch neue Schuhe. Stevens hatte alles mit seiner Karte bezahlt. Dann noch zwei Pubs: Cafe Royal, Guilford Arms. Clarke war draußen geblieben. »Ich war mir unsicher, ob ich nicht vielleicht doch reingehen sollte. Schließlich wussten sie ja, dass ich da war.«
Zurück zum Hotel, ein Abschiedswinken von Oakes, als sie draußen parkte.
Um achtzehn Uhr von Frazer abgelöst. Die zwei Männer, Stevens und Oakes, waren in eines der neuen Restaurants gegenüber vom Scottish Office gegangen. Eine Wand bestand vollständig aus Glas, so dass die beiden bequem mitverfolgen konnten, wie Frazer sich draußen kalte Füße holte. Abgesehen von seinem eigenen Überraschungsdinner - über das sich keine schriftlichen Aufzeichnungen fanden - war sonst praktisch nichts passiert.
»Gehe ich recht in der Annahme, dass das Ganze eine einzige Zeitverschwendung ist?«, fragte Frazer, als Rebus seine Lektüre beendet hatte.
»Hängt davon ab, welche Kriterien Sie dabei anlegen«, erwiderte Rebus. Er hatte den Spruch während eines Fortbildungslehrgangs in Tulliallan aufgeschnappt.
»Na, die bleiben doch offensichtlich bis zum bitteren Ende hier, oder?«
»Uns geht's nur darum, dass Oakes Bescheid weiß.«
»Sicher, aber der richtige Zeitpunkt für den Beginn eines Nervenkriegs dürfte doch wohl sein, wenn er auf sich gestellt ist. Wenn er sich irgendwo häuslich niedergelassen hat und der ganze Medienrummel vorbei ist.«
Frazer hatte nicht Unrecht. Rebus bestätigte ihm das mit einem Kopfnicken. »Erzählen Sie's nicht mir«, sagte er, »sondern dem Chief Super.«
»Hab ich ja.« Rebus sah ihn erwartungsvoll an. »Er ist gegen neun hier aufgekreuzt und wollte wissen, wie die Sache steht.«
»Und Sie haben es ihm gesagt?« Frazer nickte; Rebus lachte.
»Was hat er gesagt?«
»Er meinte, wir sollten noch ein paar Tage abwarten.«
»Wissen Sie, dass die Experten glauben, Oakes könnte wieder töten?«
»Der einzige Mensch in seiner Reichweite ist momentan dieser Reporter. Wenn dem was zustieße, würd's mir das Herz brechen.« Rebus musste laut lachen. »Wissen Sie was, Roy? Aus Ihnen wird noch mal was.«
»Die Kraft des Gebetes, Sir.«
Rebus saß seit einer Stunde allein im Wagen und spürte, wie die Kälte allmählich durch seine drei Paar Socken kroch, als er jemanden die Hoteltür öffnen und herauskommen sah. Die Hotelbar hatte noch auf, würde nicht eher schließen, bis der letzte Gast genug hätte. Stevens hing der Schlips lose um den Hals, seine zwei obersten Hemdknöpfe waren geöffnet. Er blies Zigarettenrauch in den Himmel und scharrte mit den Füßen, um das Gleichgewicht zu behalten. Kenne ich nur zu gut, dachte Rebus. Schließlich richtete Stevens den Blick auf das Polizeiauto, schien es amüsant zu finden. Schmunzelte in sich hinein, beugte dabei den Oberkörper nach vorn und schüttelte langsam den Kopf. Kam auf das Auto zu. Rebus stieg aus, wartete auf ihn.
»Treffen wir uns also endlich, Moriarty«, sagte Stevens. Rebus verschränkte die Arme, lehnte sich an den Wagen.
»Wie läuft das Babysitten?«
Stevens blies die Backen auf. »Um ehrlich zu sein, hab ich gewisse Schwierigkeiten, ihn einzuordnen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Nach all der Zeit hinter Gittern sollte man doch annehmen, dass er einen draufmachen möchte.«
»Ich tipp mal, dass er nicht trinkt.«
»Da tippen Sie richtig. Meint, Alkohol verunreinigt seinen Geist, macht, dass er sich
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