Inspektor Bony 24 - Bony und die Maus
ich habe ihn erwartet.«
»Guten Abend, Miss Harmon. Sie haben mich erwartet?« Ohne zu lächelnd, ging Bony zum Fenster und zog das Rollo herunter. »Der Nachbarn wegen, verstehen Sie«, sagte er gelassen und setzte sich an die Längsseite des Tisches. »Immer noch keine Nachricht von Ihrem Bruder?«
»Als ob Sie das nicht selber wüßten!« entgegnete Esther bissig, und Joy fiel gleich ein: »Sie glauben doch nicht, daß Tony der Mörder ist? Ich weiß jedenfalls, daß er’s nicht ist. Könnte er ja gar nicht sein. Sie haben ihn doch selbst an dem Nachmittag da draußen bei mir gefunden und wissen, daß er es nicht mal fertigbrachte, mir den Splitter aus dem blutigen Fuß zu ziehen!«
»Ich habe Joy bereits erklärt, daß es für Tony Carr ganz schlecht steht«, meldete sich Esther Harmon wieder, deren dunkle Augen jetzt wie Knöpfe aussahen. »Freilich halte ich ihn nicht für den Mörder, und das habe ich Joy auch schon ein paarmal gesagt. Die Schuhe könnte jemand anders in oder auf seine Hütte geschmuggelt haben, um ihn in Verdacht zu bringen, aber …«
»Ja, dieses ›Aber‹, Miss Harmon«, sagte Bony. »Es gibt nämlich eins.«
»Sagen Sie uns, weshalb Sie jetzt herkommen.«
»Ich habe mir Gedanken über Tony und Ihren Bruder gemacht. Ihr Bruder ist ja nicht gerade ein Schwachkopf, aber andererseits ist Carr ein stämmiger Bursche mit kräftigen Händen und ziemlich starken Handgelenken. Ich könnte mir denken, daß der Griff, an den seine Handschellen durch eine dritte geschlossen waren, nicht sehr stabil war; daß er sich also davon losriß und das Lenkrad auch mit den Handschellen ergreifen konnte. Meinen Sie nicht, daß es so gewesen sein muß?«
»Wäre möglich. Ich weiß es nicht, Bonnar, ich habe darüber nicht nachgedacht.«
»Es läßt sich natürlich noch eine andere Erklärung denken«, fuhr Bony fort. »Es ist möglich, daß das Fleisch, mit dem Sie Tonys Brote belegten, einen Fettrand hatte. Mit diesem Fett hätte er seine Handgelenke einreihen und seine Hände aus den Ringen herausziehen können. Aber trotzdem – auch hier meldet sich wieder ein kleines ›Aber‹ –, Tonys Hände und Gelenke sind breit und die Handschellen der Polizei schließen im allgemeinen recht eng und lassen keinen Spielraum. Sie haben ihm nicht zufällig außer den belegten Broten noch etwas anderes gebracht? Oder in den Teekrugetwas hineingetan?«
»Auf die Brote habe ich Salz und Senf getan und in den Tee Zucker und Milch.«
»Sehr fürsorglich, Miss Harmon, aber das hätten wohl andere Hausfrauen auch getan. Stimmt das nicht, Joy?«
»Na sicher. Ja, nur … Ach, was soll denn all dieses dumme Gerede? Tony ist ausgerückt, und das ist die Hauptsache. Kriegen werden sie den nie. Wenigstens hoffe ich das … Ich wünschte, ich wüßte es genau!«
»Um Tony stände es aber bedeutend besser, wenn er nicht ausgerissen wäre«, sagte Bony. »Er säße jetzt sicher in einer sauberen, gemütlichen Zelle in Kalgoorlie. Nun wird er gehetzt werden wie ein Tier. Und Wachtmeister Harmon wird furchtbar zornig zurückkommen. Und falls Tony durch Abreißen des Griffs freigekommen ist, wird der Wachtmeister allerlei peinliche Fragen stellen müssen.«
»Welche zum Beispiel?« fragte Esther herausfordernd.
»Zum Beispiel, wenn er von seinen Hilfspolizisten, die mit ihm Carr aus der Zelle zum Auto brachten, Antwort auf die Frage verlangen muß, welcher von den beiden dem Gefangenen einen Extraschlüssel für die Handschellen zugesteckt hat.«
»Na, wenn das so passiert sein sollte, dann wird George es hoffentlich schnell aus ihnen ‘rauskriegen. Ein Polizeiwachtmeister hat auch ohne solche Geschichten schon genug zu tun. Jetzt beantworten mal Sie meine Fragen.«
»Aber gern. Und wenn Sie fertig sind, hätte ich auch noch einige.«
»Wie erträgt Melody Sam sein Unglück?«
»Der schläft fest; dafür haben Schwester Jenks und Mr. MacBride gesorgt.«
»Und das Lokal ist geschlossen, sonst wären Sie wohl nicht hier. Wer ist denn drüben außer der Köchin und diesem neuen Hausmädchen, das aus Kalgoorlie stammt?«
»Als ich wegging, war keiner weiter da. Den beiden Frauen könnte eigentlich nichts passieren. Sie haben sich eingeschlossen, und außerdem ist ja der Mörder gefaßt worden, nicht wahr?«
»Nein, ist er nicht«, widersprachen beide Frauen zugleich, die ältere heftig, die jüngere weinend. Joy Elders Verhalten konnte Bony begreifen. Die Frauen wußten, daß Kat Loader mit einer List an die
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