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Inspektor Jury küsst die Muse

Inspektor Jury küsst die Muse

Titel: Inspektor Jury küsst die Muse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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ausschließlich von Jell-O ernähren konnten; dann beschloß er, daß die Speckschicht dieses Exemplars für hundert Jahre ausreichte, ohne daß sie einen einzigen Bissen zu sich nahm.
    James Carlton hatte selbst einen Bärenhunger. Er sagte sich, daß Plan vier – der Hungerstreik – wahrscheinlich genauso erfolglos sein würde wie Plan eins. Auch wenn er den Rest nicht äße, würden sie immer noch annehmen, er hätte das Jell-O gegessen. Nachdem er so den Hungerstreik wegargumentiert hatte, konnte er seinen Hamburger näher untersuchen. Genau wie er ihn mochte: Ketchup, Senf und zwei Scheiben Dillgurken.
    Er legte sich gemütlich auf den Boden und mampfte seinen Hamburger, dann stand er auf, nahm das Bild von der Wand und machte seinen Eintrag auf der Rückseite. Die Zeit, das Essen. Er studierte seine Liste und beschloß, daß es an der Zeit war, Plan drei in Angriff zu nehmen.
    Die Katze, die ebenfalls ihr Mittagessen beendet und sich das Fell geputzt hatte, krallte sich am Bett hoch. Oben angekommen, drehte sie sich so lange um sich selbst, bis sie ihr Plätzchen zum Schlafen gefunden hatte. Faul sah sie zu, wie James Carlton den Schreibtisch unters Fenster schob. Er hatte den Eindruck, enorm viel Krach zu machen, aber draußen auf dem Korridor ließen sich keine Schritte vernehmen. Wahrscheinlich weil sie nur in den Turm kamen, um ihm das Essen zu bringen. Nachdem er den Schreibtisch in die gewünschte Position gebracht hatte, zog er die unterste und die dritte Schublade heraus und benutzte sie als Stufen. Er war sehr leicht und der Schreibtisch sehr schwer, sonst wäre er wahrscheinlich umgekippt. Von den Schubladen aus war es dann ein Kinderspiel, auf den Schreibtisch zu steigen und aus dem kleinen Fenster zu schauen; er brauchte sich nur auf die Zehenspitzen zu stellen.
    Er sah eine Flußbiegung und ein Meer von Baumwipfeln. Es mußte der Avon sein, über dem der Nebel lag. Er befand sich also irgendwo in der Nähe von Stratford. Viel konnte er jedoch wegen der Gitterstäbe vor dem Fenster nicht sehen. Es leuchtete ihm nicht ein, welchen Zweck sie so hoch über dem Boden erfüllen sollten. Und er fand es auch komisch, daß jemand sich die Mühe gemacht hatte, gazeartige Vorhänge anzubringen. Bestimmt befand er sich in einem Burgverlies, das der Besitzer etwas gemütlicher hatte gestalten wollen: Er hatte die Ketten, die Hand- und Fußfesseln und die Knochen der früheren Gefangenen entfernt, statt dessen den Schreibtisch hingestellt und die Bilder und Vorhänge aufgehängt.
    Die Mauern waren wahrscheinlich zu glatt, um daran hinunterzuklettern. Und es gab auch keinen Ast in Reichweite, an dem ein Gefangener sich auf den Boden und in Sicherheit hätte schwingen können, vorausgesetzt, es wäre ihm gelungen, durch die Stäbe zu kommen. James Carlton betrachtete prüfend erst die Vorhänge und dann das Bett, die Laken und die Zudecke. Wenn man alles zusammenknüpfte, reichte es vielleicht.
    Die graue Katze sah gähnend zu. Als sie jedoch bemerkte, daß sich in dieser ansonsten langweiligen Umgebung etwas tat, was vielleicht mehr Aufmerksamkeit verdiente, glitt sie auf den Boden, sprang von Schublade zu Schublade und setzte dann mit einer vollendeten Dreipunktlandung auf dem Schreibtisch auf.
    Beide inspizierten den Mörtel, in dem die Stäbe steckten. Er wies zahlreiche Risse auf. Das Fensterbrett war mindestens fünfzehn Zentimeter breit. James Carlton rüttelte an einem der Stäbe. Locker. Ein Stück Mörtel löste sich und kullerte über den Rand. Schnell zog er sein Taschenmesser heraus und hackte drauflos. Die Katze hatte die großen Pfoten unter ihren Brustkorb geschoben und sah neugierig zu. Offensichtlich fand diese Tätigkeit ihren Beifall, denn sie schnurrte wie eine Zugmaschine. Daß James Carlton sich an den Stäben zu schaffen machte, schien sie unendlich zu befriedigen, und er stellte sich vor, die Katze wäre die Reinkarnation eines ehemaligen Gefangenen, der hier oben krepiert war und jetzt endlich den Augenblick seiner Befreiung gekommen sah. Und er fragte sich, ob sie vorhatte, mit ihm an den Tüchern hinunterzuklettern. Ziemlich unwahrscheinlich.
    Schritte.
    Er sah auf die Uhr. War es wirklich schon Zeit fürs Abendessen? Aber die Katze wußte, was Schritte zu bedeuten hatten, und sprang vom Schreibtisch; sie landete geduckt auf dem Boden und trottete zu dem Türschlitz.
    James Carlton brach der kalte Schweiß aus. Aber was hatte er schon zu befürchten? Noch nie hatte jemand das Zimmer

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