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Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Titel: Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matha Grimes
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ich. Ich werde dafür bezahlt, dass ich ihn sehe.« Selbst wenn ich nicht weiß, worin »er« besteht. Er musste wieder daran denken, wie Oswald über das Muster im Teppich bei James gesprochen hatte. »Und das erklärt immer noch nicht, wieso Sie mir das nicht gestern bei unserem ersten Gespräch gesagt haben.«
    »Tut mir leid. Ich habe es Ihnen nicht gesagt, weil –«
    Er überlegte wieder. Zeugen, die die Wahrheit sagten, brauchten normalerweise nicht zu überlegen.
    »Weil … da ich ja wusste, ich würde Ihnen das, was er – was Billy – im Beichtstuhl sagte, nicht erzählen, sah ich auch überhaupt nicht ein, was es Ihnen nützen sollte, zu erfahren« – der Priester zuckte die Achseln –, »dass er es im Beichtstuhl gesagt hatte.«
    »Sie wissen sehr wohl, dass es wichtig sein könnte, Father. Ein Mensch wird in einem Hotel hier ganz in der Nähe umgebracht, ein Mensch, der das Bedürfnis zur Beichte verspürte. Punkt, Punkt, Punkt. Und jetzt versuchen Sie mal, diese Punkte miteinander zu verbinden, ja? Mord, Punkt, Beichte, Punkt, Mord in Verbindung mit dem Gebeichteten, Punkt, Punkt, Punkt.«
    »Tut mir leid. Wenn ich Ihnen aber sagen würde, dass während dieser Beichte nichts gesagt wurde, was irgendetwas mit Ihren Ermittlungen zu tun haben könnte?«
    »Dann würde ich sagen, Sie wissen nicht, worüber Sie reden.«
    Father Martin schwieg.
    »Sagen Sie mir, in welcher Verfassung er sich befand.«
    »Unglücklich war er, ja.«
    »Man sagte mir, Billy habe starke Stimmungsschwankungen gehabt, vielleicht das, was man früher als manisch-depressiv bezeichnete.«
    »Möglich. Ich bekam dann natürlich seine depressive Seite zu sehen. Man verlangt unsere Hilfe gewöhnlich nicht, wenn man manisch ist.« Er warf Jury ein mattes Lächeln zu.
    »Nein. Das ist aber vielleicht etwas zu vereinfacht ausgedrückt.« Man konnte ein Problem auf zu viele Arten betrachten und sah daher keine klare Antwort.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ein Mensch, der zwischen Glauben und Zweifel zerrissen ist, wäre doch nicht zwangsläufig unglücklich.«
    Der Priester schüttelte den Kopf. »Ich halte dies für das schlimmste Unglück von allen.«
    Jury fand ihn dermaßen selbstgerecht, dass er am liebsten geschrien hätte: Jetzt hören Sie doch endlich auf! Immer diese Kleriker mit ihren vorgefassten Lösungen. Stattdessen sagte er: »Wenn Sie die größte aller Fragen betrachten, dann spielt Glück doch überhaupt keine Rolle, oder?«
    »Hört sich an, als hätten Sie über diese Angelegenheit gründlich nachgedacht.«
    »Nein, ich habe überhaupt nicht darüber nachgedacht. Danke, dass Sie sich Zeit genommen haben. Ich muss jetzt gehen.«
    Jury stand auf und war bereits halb aus der Tür, als er sich noch einmal umdrehte und fragte: »Was ist mit dem dritten Mal?«
    Father Martin musterte ihn verwirrt. »Dem dritten Mal?«
    »Sie sagten, Sie hätten ihn zwei oder drei Mal gesprochen. Wann war das dritte Mal?«
    Der Priester überlegte stirnrunzelnd. »Ach, das muss gewesen sein, als er einmal in die Kirche kam. Zur Morgenandacht, glaube ich.«
    »Er war doch gar nicht katholisch.«
    »Seltsamerweise hält das die Leute nicht davon ab.«

16
    Da Lamb House nun einmal ins Gespräch gebracht worden war – und entgegen seiner Weigerung, sich dorthin zu begeben –, begann Melrose sich unverzüglich zu rüsten, wenngleich nicht in dem Sinn, dass er den Bentley bepackte, so doch indem er verschiedene Posen einstudierte, sie quasi anprobierte wie Reisebekleidung. Die bloße Erwähnung von Henry James hatte ausgereicht, um ihn heimlich in Aufregung zu versetzen – insbesondere nach dem Henry-James-Wettbewerb, den sie alle zusammen im Jack and Hammer angezettelt hatten, inspiriert von jenem lachhaften Hochstapler, der unter dem Namen Lambert Strether dort aufgekreuzt war.
    Wenn es je eine wahrhafte Lady Watermouth gegeben hatte, saß ihm diese nun leibhaftig auf dem Sofa gegenüber und stopfte gebutterte und mit Konfitüre und Schlagsahne beladene Korinthenscones in sich hinein. Der Fantasie blieb auf dem Teller seiner Tante nichts überlassen.
    Melrose legte die Eremiten-Postille beiseite und fragte sich diesbezüglich, wo Mr. Blodgett eigentlich steckte. Es war höchste Zeit, dass der zerzauste Eremit sich blicken ließ, mit irrem Blick, wild verstrubbeltem Haar und erhobener Faust, damit Agatha völlig aus dem Häuschen geriet und das Weite suchte. Manchmal funktionierte es und manchmal nicht. In Mr. Blodgett hatte Melrose einen recht

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