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Inspektor Jury lichtet den Nebel

Inspektor Jury lichtet den Nebel

Titel: Inspektor Jury lichtet den Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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wahrsten Sinne des Wortes vor meiner Haustür abgesetzt. Für ein paar Tage, wie sie sagte, aber seither habe ich die Frau nicht mehr zu Gesicht bekommen. Hätte mich eigentlich nicht überraschen sollen.» In den Augen des Pastors, unter den grauen, überhängenden Brauen, blitzte es vor unchristlichen Gefühlen.
    Jury fragte sich, ob der Pastor im Kampf gegen seine Gefühle für Mary zwar die Schlacht gewonnen, aber den Krieg verloren hatte. Mochte Pastor White Daveys Mutter noch so vehement eine «irische Schlampe» schimpfen, Jury spürte in diesen Tiraden ein Gefühl, vermutlich sexuelle Anziehung.
    Macalvie sagte: «Mary mochten Sie also auch nicht.»
    «Ich muß doch sehr bitten, Superintendent –»
    «Chief», ergänzte Macalvie automatisch und sah White dabei nicht einmal an. Sein Blick wanderte, seit er Platz genommen hatte, durch den Raum.
    «Verzeihung, Chief Superintendent. Dies ist eines meiner schrecklichsten Erlebnisse!»
    Macalvie sah den Pastor an. «Und das andere?»
    «Wie bitte?»
    «Das Leben muß Ihnen ja ganz schön mitgespielt haben, wenn der Mord an Ihrem Enkel für Sie nur ein schreckliches Erlebnis unter vielen ist. Mehr als zwei von der Sorte nehme ich Ihnen aber nicht ab. Wenn ich Sie recht verstanden habe, haben Sie die Mutter gehaßt und deshalb Davey nicht gern um sich gehabt. Hat Sie dauernd mit der Nase darauf gestoßen, stimmt’s?» Er hatte sich gerade ein Fisherman’s Friend in den Mund gesteckt, das er jetzt lutschte.
    Aus dem Gesicht des Pastors war alle Farbe gewichen, es war so weiß wie die Porzellanstatuette auf seinem Schreibtisch. «Aber natürlich hatte ich Davey gern. Was wollen Sie damit sagen?»
    «Ich will nie etwas sagen. Ich sage es einfach. Die Mutter war also der einzige Grund, warum Sie Davey nicht leiden konnten?»
    Der Pastor sprang fast aus seinem Stuhl hoch. «Wenn Sie weiter derart über mich richten –»
    «Das Richten überlasse ich Gott. Setzen Sie sich. Er ist irgendwann in aller Herrgottsfrühe umgebracht worden. Gegen fünf, sechs. Was hat er um diese Zeit draußen im Wald gemacht?»
    Mr. White staunte. «Aber er wurde doch in der Kirche ermordet.»
    Macalvie schüttelte den Kopf. «Man hat ihn in die Kirche gebracht, als er schon tot war. Wahrscheinlich war sie um diese Zeit leer. Und ziemlich dunkel. Aber ist heute morgen niemand in der Kirche gewesen? Eine Putzfrau? Sonst jemand?»
    Der Pastor schüttelte den Kopf. «Nein, warum auch? Und niemand hatte Veranlassung, die kleine Sakristei zu betreten.»
    «Sie haben nicht gerade gut auf Ihren Enkel aufgepaßt, was?»
    Jury unterbrach Macalvie zu dessen Ärger. «Warum war Davey bloß schon so früh draußen?»
    Mr. White lief rot an. Hat sich noch nicht von Macalvies Bemerkung erholt, dachte Jury, wahrscheinlich, weil sie der Wahrheit entspricht.
    «Davey war etwas eigenartig –»
    Macalvies ungeduldiger Seufzer machte deutlich, was er von dieser Ausrede hielt.
    «Ich meine ja nur, daß er gelegentlich vor dem Frühstück, vor der Schule, das Haus verließ und in den Wald ging, weil er, wie er sagte, ‹nachdenken› wollte. Er hatte nicht viele Freunde in der Schule …» Der Pastor verstummte unter Macalvies blauem Funkelblick.
    Jury mußte an Simon Riley denken. Vielleicht hatte Davey unter dem Vorwand «nachzudenken» geraucht. Oder er hatte einfach einmal entkommen wollen. Vielleicht noch so ein einsamer Junge in einem lieblosen Haus. Aber er behielt seine Meinung für sich.
    Macalvie aber war in seinem Redeschwall nicht zu bremsen. «Muß hier ja ein tolles Leben geführt haben, Ihr Davey. Haben Sie sich denn keine Sorgen um ihn gemacht, wenn er frühmorgens oder abends im Dunkeln allein in den Wald ging?» Macalvie war aufgestanden, strich durchs Zimmer und musterte die Bücherschränke des Pastors.
    «Im Wald von Wynchcoombe ist noch nie etwas passiert.»
    Macalvie riß den Blick von einem alten Buch los. «Jetzt aber schon. Haben Sie denn nicht von dem Jungen in Dorchester gelesen, Mr. White?» fragte er ganz nebenbei.
    Auf einmal sah Pastor White erschrocken aus. «Ja. Wollen Sie damit andeuten, daß ein geisteskranker Mörder frei herumläuft?»
    Macalvie antwortete mit einer Frage. «Fällt Ihnen jemand ein, der Ihren Enkel nicht leiden mochte?»
    «Nein. Niemand», blaffte der Pastor.
    «Und gibt es vielleicht jemanden, der Sie nicht ausstehen kann?»
    Dem Pastor verschlug es die Sprache. Er mußte erst einmal nachdenken.
     
     
    W AS W IGGINS AUS DER H AUSHÄLTERIN herausbekam,

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