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Inspektor Jury lichtet den Nebel

Inspektor Jury lichtet den Nebel

Titel: Inspektor Jury lichtet den Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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am Fünfzehnten nach Ashcroft fährt.» Er sah Jury an. «Ihre Meinung?»
    «Legen Sie Wert darauf?»
    «Nicht besonders. Wir klappern die Gebrauchtwagenhändler ab. Fotos, wir brauchen Fotos. Aber Ashcroft darf nichts davon mitkriegen, sonst wird er argwöhnisch.» So einfach hatte sich Macalvie Jurys Theorie zu eigen gemacht. «Ich kann keinen Polizeifotografen hinschicken.»
    «Einen Fotografen habe ich», sagte Jury.
    Macalvie runzelte die Stirn. «Und wen, bitteschön?»
    «Molly Singer.»
    Macalvie lächelte. «Sie meinen Mary Mulvanney.» Er lehnte sich zurück und legte die Füße wieder auf den Schreibtisch.
    «Okay, gehen wir mal davon aus, daß sie wirklich Mary Mulvanney ist. Da haben wir Sam Waterhouse und Angela Thornes Vater, ja, die Zufälle summieren sich. Es sind mir zu viele. Zwischen den Morden gibt es eine Verbindung. Zwischen dem alten und den neuen. Die Theorie, die für Sam Waterhouse gilt, läßt sich auch auf sie anwenden. Rache. Obwohl dann der Mord an dem kleinen Riley und Davey White keinen Sinn ergibt. Wir schleusen also Molly auf Ashcroft als Fotografin für irgendeine snobistische Illustrierte über Autos oder den Landadel ein. Einen Presseausweis können wir sicherlich besorgen.»
    Macalvie nahm die Füße vom Tisch und sagte stirnrunzelnd: «Jury, soll das heißen, daß sie die Hauptverdächtige mit Jessica Ashcroft zusammenbringen wollen?»
    «Wer behauptet denn, daß sie meine Hauptverdächtige ist? Und was ist mit Waterhouse? Jessica lebt dort sowieso mit einem anderen Verdächtigen zusammen. Ihrem Onkel. Falls es Molly Singer war, so würde sie in einem Haus, in dem sie fotografieren soll, wohl kaum zuschlagen.»
    «Mary Mulvanney.» Macalvie holte einen Schnappschuß aus seiner Brieftasche. Er zeigte drei lächelnde weibliche Wesen: ein kleines Mädchen und ein älteres Mädchen mit heller Haut und dunklem Haar als lächelnder Mittelpunkt des Dreiergespanns.
    Jury schüttelte den Kopf. «Ich sehe keine Ähnlichkeit mit Molly Singer, das ist einfach irgendein dunkelhaariges Mädchen.»
    Macalvie steckte das Foto wieder in seine Brieftasche.
    Das rührte Jury. Zwanzig Jahre hatte Macalvie das Foto mit sich herumgetragen. «Sie werden wohl nie darüber hinwegkommen, daß eine Fünfzehnjährige in Ihr Büro gestürmt ist und Ihnen an den Kopf geworfen hat, daß die Gerechtigkeit, die Polizei und vor allem Sie persönlich einen Dreck wert sind. Das macht Ihnen immer noch zu schaffen, was?»
    Macalvie schwieg einen Augenblick. «Nein, Jury. Sie macht Ihnen zu schaffen. Los, wir sollten mit ihr reden. Anders werde ich Sie nie davon überzeugen können, wer sie wirklich ist.»
    «Aha, eine Runde Einschüchterungstaktik?»
    «Wer, ich?»
    «Überlassen Sie mir das mit den Fotos, ja? Nach einem Plausch mit Ihnen dürfte sie vielleicht keine Lust mehr haben, der Polizei bei ihrer Arbeit zu helfen.»
     
     
    M ACALVIE HATTE ES SICH auf dem Stuhl am Kamin gemütlich gemacht, nachdem er die schwarze Katze von dort verscheucht hatte, die nun auf seinen Füßen lagerte wie ein Bleigewicht.
    Sie waren unangemeldet aufgetaucht, Macalvie hatte Jurys Einwände einfach nicht ernst nehmen wollen. Jury hatte schon seine ganze Überredungskunst aufbieten müssen, damit Macalvie Molly Singer nicht auf die Polizeiwache von Lyme Regis schleifte.
    «Ich weiß nicht, wovon Sie reden», sagte Molly und blickte von Macalvie zu Jury.
    «O doch, das tun Sie», sagte Macalvie mit dem ihm eigenen Charme. «Vor zwanzig Jahren hat man Ihre Mutter Rose in einem Kaff namens Clerihew Marsh ermordet –»
    «Keinen Schimmer, wo das ist», sagte Molly.
    «In Dartmoor, etwa vierzig Meilen von hier.»
    Ihr Gesicht war wie eine Maske, man konnte nichts davon ablesen, ihr Körper steif, unnahbar. Doch die Gefühle, die sie zurückdrängte, schienen sich gegen ihren Willen im Raum zu verbreiten. Jury fühlte sich gleichermaßen zu ihr hingezogen und von ihr abgestoßen.
    Interessant, daß Macalvie trotz der im Raum herrschenden Spannung ganz ungerührt blieb, obwohl er eigentlich nicht unsensibel war.
    «Möchten Sie meine Geburtsurkunde sehen? Dann haben Sie meine Identität schwarz auf weiß.»
    «Aber gern.» Er schob sich einen Bonbon in den Mund und beugte sich vor. «Ob Sie Papiere anschleppen oder den Priester, der Sie getauft hat, mitsamt all Ihren Beichtvätern – Sie sind doch Katholikin, oder? –, egal, was dabei herauskäme: Sie sind und bleiben Mary Mulvanney. Was zum Teufel haben Sie in Lyme zu

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