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Inspektor Jury lichtet den Nebel

Inspektor Jury lichtet den Nebel

Titel: Inspektor Jury lichtet den Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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besserwisserischem Ton zurück. «Ich sitze gern da und sehe mir von weitem das Gefängnis an. Aus dem der Axtmörder ausgebrochen ist.»
    «Jess, zum x-tenmal, es ist niemand ausgebrochen.»
    «Und was ist mit den Morden?» fragte sie achselzuckend Sara Millar. Sie hoffte, daß die Frage auf sie so abschreckend wirken würde wie Rochesters verrückte Frau auf Jane Eyre.
    «Jessie, du brauchst keine Angst zu haben –», sagte Sara.
    Angst? Jess hatte vor nichts Angst, außer daß sich Onkel Rob verheiraten könnte. Sie drückte ihre beiden Bücher an sich – wünschte, Mrs. Mulchop würde sich in schwarze Gewänder hüllen und Sara den bösen Blick geben, wie Mrs. Danvers dieser Maus, die de Winter geheiratet hatte – und wollte gerade den Raum verlassen, als Victoria Gray erschien. Sie war in Reitkleidung.
    Man wünschte sich einen guten Morgen. Victoria wurde an den Frühstückstisch gebeten, sie blieb jedoch an der Anrichte stehen und schenkte sich erst einmal aus einer silbernen Kanne einen Kaffee ein. Sara hatte sich wieder ihrem eigenen Kaffee zugewandt und merkte nicht, daß Victoria Gray ihr einen Blick wie einen Dolch in den Rücken rammte. Jess blickte von einer Frau zur anderen. Victoria sah zwar besser aus, aber sie war alt. Na ja, fast so alt wie Onkel Rob. Die Selbstlose Sara war jung und taufrisch, vielleicht genau in dem Alter von de Winters mausgrauer Frau.
    «Dann will ich mal», sagte Victoria. «Reiten Sie auch?» fragte sie Sara höchst reserviert.
    «Ein bißchen», sagte Sara lächelnd.
    Genauso wie sie schrieb. Vermutlich war sie die Brontë-Schwestern und Dick Francis in einer Person.
     
     
    «R EDE NICHT MIT F REMDEN » hatte Onkel Robert sie ermahnt. Als ob ganze Heerscharen von unbekannten Leuten an der Mauer vorbeispazierten, um sich mit ihr zu unterhalten.
    Sie hockte auf der Mauer neben einem der zwei Pfeiler, die rechts und links neben dem Tor zur langen, baumbestandenen Auffahrt emporragten und sich wie eine doppelte Barrikade ausnahmen. An dem Pfeiler war eine schlichte Bronzetafel mit der Aufschrift ASHCROFT angebracht. Jess hockte häufig hier, immer in der Hoffnung, daß sich etwas Interessantes auf der Landstraße tun würde, doch nie passierte etwas, außer daß gelegentlich ein Auto oder ein Viehtreiber mit ein paar Schafen vorbeikam.
    Henry war die Mauer zu hoch, und sie würde ihm auch nicht hinaufhelfen, er mußte dafür büßen, daß er sich von Sara hatte streicheln lassen. Aber Henry schien das nicht zu stören, er streckte wie gewohnt alle viere von sich.
    Die Situation war so gräßlich, daß man darüber schier verrückt werden konnte. Sara Millar saß beim Frühstück, als gehörte sie dazu wie die Eierbecher und die Teekanne und der Toast. Ein vertrautes Möbelstück. Und dabei hatte sie sich nicht einmal penetrant breitgemacht. Sie fühlte sich einfach – zu Hause.
    Jess hämmerte mit ihrem Schraubenschlüssel gelangweilt auf dem Stein herum, der herabbröselnde Putz staubte Henry ein. Es kümmerte ihn nicht. Niemand … Was war denn das?
    Plötzlich kam hinten auf der Straße, von rechts, sehr langsam ein Auto heran. Wohl wieder Touristen, dachte Jess. Dann aber machte sie große Augen. Was für ein Auto! Lang und elegant – ein Klassiker. Irgend etwas schien an dem Wagen kaputt zu sein.
    Das Automobil kam vor ihr zum Stehen. Der Fahrer rollte das Fenster herunter. «Verzeihung. Gibt es hier irgendwo eine Werkstatt?»
    Jessie hopste von der Mauer und schlenderte auf das weiße, glänzende Auto zu. Jede Wette, daß es mindestens zwölfmal lackiert war. Innen rotes Leder. Und die geflügelte Figur auf der Motorhaube. Ein Rolls-Royce. Sie seufzte. «Nein. Meilenweit keine einzige. Wo brennt’s denn?»
    Er lächelte. Wenn das der Axtmörder war, dann sah er aber gut aus. Grüne Augen und strohfarbenes Haar. «Irgend etwas stimmt nicht. Der Motor würgt dauernd ab –» Als hätte er aufs Stichwort gewartet, gab sein Schlitten nun endgültig den Geist auf.
    «Gucken wir doch mal unter die Haube?»
    Er lachte. «Als Mechaniker bin ich nicht gerade ein As.» Er stieg aus.
    Jessie musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen. Reich. Gut aussehend und reich. Sie zog den Schraubenschlüssel aus der Tasche. «Ich aber.» Sie schwang den Schraubenschlüssel, und dabei kam ihr eine Idee. Und wenn Jessie etwas durch den Kopf zuckte, kam der Donner oft gleich hinterher.
    Er zog sich die Autohandschuhe aus und blickte hoffnungsvoll auf den dunklen Tunnel aus Bäumen. «Und

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