Inspektor Jury lichtet den Nebel
Halspastille gab.
«Sie haben doch sicher das Porträt von Jessica Ashcrofts Vater bemerkt.»
«Natürlich. Er war bei den Grenadieren. Militär.» Macalvie zog die oberste Schublade des Schreibtisches auf und holte einen Viertelliter Whisky und ein schmutziges Glas heraus. «Ich hör auf mit diesem lausigen Job, Ehrenwort. Wandere nach Amerika aus. Da ist der Schnaps billiger.» Er blickte zur Decke, als wäre Amerika dort zu finden, öffnete die Flasche, trank einen Schluck und reichte dann Wiggins das Glas.
«Möglicherweise sind wir auf verschiedenen Wegen zum gleichen Schluß gekommen», sagte Jury. «Wenn auch Sie an Jessica Ashcroft denken.»
«Genau. Und auch an Sam Waterhouse. Der hat fast neunzehn Jahre gebrummt. Vielleicht wollte er sich rächen.» Macalvie schüttelte den Kopf. «Ich behaupte immer noch, er ist: nicht der Typ dafür. Weder damals noch heute. Wollen Sie Ihre Zukunft in der Neige Ihres Glases lesen, Wiggins, oder möchten Sie es weitergeben?»
«Nach dem, was Sie sagen, ist es fast sicher, daß es Waterhouse war. Haß auf jegliche Autorität. Und er wurde kurz vor der Mordserie entlassen.»
Macalvie legte die Hände um das Glas und fixierte die Decke. «Ich kann einfach nicht glauben, daß es Sam gewesen sein soll.»
«Was ist mit Robert Ashcroft?»
Macalvie nahm die Füße vom Schreibtisch. «Was für ein Motiv hätte er gehabt?»
«Vier Millionen Pfund. Und er war an den Tagen, an denen die Morde geschahen, nicht zu Hause. Niemand im Haushalt kannte ihn vor seiner Rückkehr aus Australien. Ich fahre nach London und knöpfe mir mal den Anwalt der Ashcrofts vor. Aber selbst wenn Ashcroft wirklich der Bruder ist, so ist da, immer noch –»
Macalvie unterbrach ihn. «Geld wie Heu. Stimmt’s?»
Jury nickte.
«Aber wieso dann die anderen Morde? Tarnung?»
Wieder nickte Jury. Macalvie schüttelte den Kopf, als wollte er sich den Kopf freimachen, goß Whisky ein und reichte Jury das Glas. «Was ist dran an der Geschichte, daß er mit dem Zug nach London gefahren ist?»
«Er sagt, er wollte sich einen Rolls ansehen, der in der Times inseriert war.»
«Das lasse ich überprüfen, mal sehen, ob tatsächlich so eine Karre angeboten wurde. Und ob Ashcroft sie sich wirklich angesehen hat. Aber nehmen wir mal an – nur um es auszudiskutieren –»
«Ich will aber nicht mit Ihnen diskutieren, Macalvie.» Jury gab das Whiskyglas an Wiggins weiter, obwohl er wußte, daß Wiggins nicht gerne mit anderen aus einem Glas trank. «Ich meine nur, daß Jessica Ashcroft gefährdet ist.»
Macalvie redete weiter, ohne auf Jurys Bemerkung einzugehen. «Nehmen wir mal an, daß Ashcroft der Mörder ist. Wieso ist er nicht mit dem Auto nach London gefahren? Er hat im Ritz gewohnt. Dem Portier wäre jedes von Ashcrofts Autos bei Anfahrt oder Abfahrt aufgefallen. Also durfte er seine eigenen nicht benutzen. Viel zu auffällig. Also Zug oder Bus oder Mietwagen. Wobei ein Mietwagen zu riskant gewesen wäre. Nehmen wir also an, er fuhr am Zehnten mit dem Zug von Exeter nach London. Ein Schwätzchen mit dem Bahnhofsvorsteher, damit der sich auch ja daran erinnert, daß er abgereist ist. Er nimmt sich ein Zimmer im Ritz. Zug zurück nach Dorchester – sind nur drei Stunden, hin und zurück sechs –, aber er hätte auch auf der Hinfahrt aussteigen, den kleinen Riley umbringen und erst dann nach London fahren können. Am Zwölften zur Waterloo Station, Nachtzug nach Exeter – nein, nicht nach Exeter. Der Bahnhofsvorsteher könnte sich an ihn erinnern. Axminster. Wie wäre es mit Axminster?»
Wiggins schüttelte den Kopf. «Warum sollte er sich die ganze Mühe machen? Immer hin und her. Wenn er uns auf die Fährte eines Geisteskranken lenken will –?»
«Weil er nicht in der Gegend sein durfte, wo die Morde passiert sind», sagte Macalvie.
«Und was macht er», fragte Jury, «nachdem er in Axminster ausgestiegen ist? Zu Fuß nach Wynchcoombe ist ja wohl ein bißchen weit. Wie kommt er hin? Und wie kommt er nach Lyme Regis?»
«Nicht mit dem Zug also. Na gut, aber ein Auto mietet er auch nicht. Er kauft sich eins in London. Etwas Schnelles und Kostspieliges, das durch den TÜV ist. Kauft es bei einem dieser schäbigen Hehler, von denen es in London wimmelt. Die kümmern sich einen Dreck darum, unter welchem Namen man kauft. Damit hat Ashcroft am Dreizehnten Zeit für die Vorstellungsgespräche mit den Erzieherinnen und auch noch Zeit genug, um zu warten, bis eine tatsächlich ihre Sachen packt, die ihn
Weitere Kostenlose Bücher