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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Mit dem Namen wurde also für gezapftes Bier Reklame gemacht; die Flasche bedeutete, daß man auch abgefülltes Bier zu trinken bekam.» Eine leichte Röte überzog sein Gesicht; anscheinend war ihm bewußt geworden, daß das nicht der richtige Augenblick für einen Exkurs über Wirtshausgebräuche war. «Wenn man sich vorstellt, daß all diese Morde praktisch nur den Mord an dem armen Mädchen vorbereiteten!»
    «Vorbereiteten?» fragte Jury. «Nein, ich glaube, Sie sehen das falsch, Mr. Smith. Ruby wurde vor den anderen ermordet. Das bedeutet natürlich nicht, daß dieser Mord nichts mit den anderen zu tun hat.» Wiggins hatte nach längerem Wühlen zwischen Hustenpastillen, Husten- und Nasentropfen ein paar Players aus seiner Manteltasche gefischt und reichte sie Jury. «Hatten Sie jemals den Verdacht, Ruby könnte über jemanden im Dorf etwas wissen, was der Betreffende lieber für sich behalten hätte?»
    «Erpressung? Wollen Sie darauf hinaus?»
    Jury antwortete nicht.
    «Nein. Sie plapperte ziemlich viel, aber ich hörte nicht immer zu. Obwohl eine Zeitlang das Gerücht kursierte – ich gebe natürlich nichts auf diese Art von Gerüchten – daß Ruby sich mit Marshall Trueblood eingelassen hatte.»
    «Mit Marshall Trueblood?» Jury und Wiggins tauschten ungläubige Blicke aus, und Wiggins erstickte beinahe. Jury sagte: «Das kann ich mir kaum vorstellen, Herr Pfarrer, Sie etwa? Trueblood ist doch homosexuell?»
    Der Pfarrer sah eine günstige Gelegenheit, sich auch in solchen Dingen beschlagen zu zeigen. «Er könnte auch das sein, was man bisexuell nennt, Inspektor.»
    Das war nicht von der Hand zu weisen, zumal Trueblood sein affektiertes Benehmen bewußt zu übertreiben schien. «Aber Sie wissen das nicht genau?» Der Pfarrer schüttelte den Kopf. «War Ruby vielleicht vor ihrer Abreise besonders aufgeregt, oder benahm sie sich sonst irgendwie komisch?» Wieder schüttelte der Pfarrer den Kopf. Da Jury auch schon mit Mrs. Gaunt gesprochen hatte, der an Rubys Verhalten genauso wenig aufgefallen war, nahm er an, daß von ihnen keine weiteren Aufschlüsse zu erwarten seien. Für den Augenblick zumindest mußte er sich zufrieden geben. Jury erhob sich, und Wiggins klappte sein Notizbuch zu.
    Draußen fragte Jury Wiggins, ob er nicht einstweilen nach Weatherington fahren und die Judds auf seinen Besuch vorbereiten könne: auch wenn es schmerzlich für Rubys Eltern wäre, er müsse sie unbedingt noch heute abend sprechen.

    Als Jury die Bar der Pandorabüchse betrat, stand Twig in seiner Lederschürze herum und rieb die Gläser blank. Erschöpft hievte sich Jury auf einen der eichenen Barhocker und bestellte einen Whisky. Im Spiegel entdeckte er nur einen einzigen Gast – eine Frau mittleren Alters, die auf einem Wettschein offenbar die aussichtsreichsten Namen ankreuzte.
    «Wo ist Mr. Matchett, Twig?»
    «Er nimmt gerade im Speisesaal einen Aperitif zu sich, Sir.» Jury machte Anstalten, sich zu erheben. «Mit Miss Vivian, Sir.» Jury setzte sich wieder. Er starrte auf die bernsteinfarbene Flüssigkeit in seinem Glas. Aber Job war Job. Er sollte bereits dort drinnen sein und Fragen stellen. Er zwang sich, sein Glas zu nehmen und in den Speiseraum hinüberzugehen.
    Zuerst dachte er, der Raum sei leer. Zumindest war er kaum beleuchtet – nur die roten Kugeln warfen ihr flackerndes Licht auf die Tische und die Wände. Jury stand im Schatten der Türnische. Schließlich entdeckte er sie, Simon Matchett und Vivian. Sie saßen halb verdeckt hinter einem Pfeiler. Vivian wandte ihm ihr Profil zu, von Matchett war nur eine Hand zu sehen, die auf ihrem Handgelenk lag.
    Eigentlich war er ganz in ihrer Nähe, der Abstand zwischen ihnen konnte nicht mehr als sechs Meter betragen. Er versuchte, sich in Bewegung zu setzen, um diese kurze Strecke zurückzulegen, an ihren Tisch zu treten und seine Fragen zu stellen. Er rührte sich jedoch nicht vom Fleck. In diesem Augenblick erfuhr er am eigenen Leibe die Bedeutung des Ausdrucks «wie angewurzelt stehen zu bleiben».
    Matchett beugte sich zu Vivian hinüber, und die Hand, die ihr Handgelenk umschlossen gehalten hatte, legte sich hinter ihrem Rücken auf die Stuhllehne.
    Jury zog sich etwas tiefer in den Schatten zurück; kurz vor der Tür blieb er stehen, da er in dieser Position immer noch den Anschein erwecken konnte, gerade eingetreten zu sein, falls einer von ihnen sich umdrehen und ihn entdecken sollte.
    Während dieser kurzen Augenblicke verharrten alle drei wortlos

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