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Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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schüttelte den Kopf. «Zu dumm, Agatha. Es haut nicht hin. Mein Alibi ist einfach hieb- und stichfest.»
    Während Agatha sich zähneknirschend geschlagen gab, brachte Ruthven den Nachtisch – einen prächtigen Weihnachtspudding. Er hielt ein Streichholz an die mit Brandy übergossene Oberfläche. Und als er ihn serviert hatte, goß er den Gästen noch Madeira in das dritte Glas.
    Melrose sah Agatha mißvergnügt am Tisch sitzen, wahrscheinlich damit beschäftigt, einen neuen Angriff vorzubereiten, und er sagte zu Ruthven: «Sehen Sie das Päckchen auf dem Kaminsims? Könnten Sie das bitte Ihrer Ladyschaft überreichen?»
    Agathas Miene hellte sich auf, als sie das Geschenk in Empfang nahm und öffnete.
    Vivian schnappte nach Luft; Agatha zog ein mit Smaragden und Rubinen besetztes Armband aus der kleinen Schachtel. Sie glänzten und glitzerten und verwandelten sich beinahe selbst in kleine Flammen, als das Kerzenlicht auf sie fiel. Agatha bedankte sich überschwenglich bei Melrose, ohne ihrer Attacken wegen die geringste Spur von schlechtem Gewissen zu zeigen. Dann ließ sie Vivian das Armband bewundern, die es an Jury weiterreichte.
    Als er das letzte Mal echte Juwelen in der Hand gehabt hatte, war Jury noch ganz jung und für Einbrüche zuständig gewesen. Er verstand nun, warum man Rubine als «blutrot» bezeichnete. Und plötzlich driftete auch jenes Detail, das immer noch gefehlt hatte, in sein Bewußtsein. Rubine. Ruby. Ein Armband. Das Bild eines Handgelenks, das aus dem Boden ragte. Sie hat es immer getragen, Sir – ich hab sie nie ohne es gesehen , hörte er Daphne sagen.
    Wo war es dann? Seine Augen hingen immer noch an den Steinen, als er Agatha das Armband zurückgab, und der Gedanke an Rubys nacktes Handgelenk beherrschte ihn so ausschließlich, daß Agathas Kommentar kaum in sein Bewußtsein drang: «Sehr hübsch, Melrose, für eine Imitation.»

Die Damen zogen sich in den Salon zurück und überließen Jury und Melrose ihrer Flasche Portwein. Eigentlich war Lady Ardrys Abgang alles andere als ein Rückzug. Vivian schaffte es mit Mühe und Not, sie aus dem Eßzimmer zu bugsieren; aber dann blies Agatha noch einmal zum Angriff und tauchte triumphierend wieder auf, um nach irgendwelchen Gegenständen, die sich anscheinend verselbständigt hatten, zu suchen – nach Taschentüchern, Knöpfen und dem Armband, das ein Häufchen auf dem Tisch bildete, als wäre die ganze rot-grüne Pracht nichts weiter als eine Handvoll Oliven.
    Nachdem sie mit ihrer Beute abgezogen war, meinte Jury, «Das war aber ein sehr großzügiges Geschenk, Mr. Plant.»
    «Ich glaube, die symbolische Bedeutung der roten und grünen Steine ist ihr entgangen. Die Weihnachtsfarben. Ich hielt das für eine hübsche Idee.» Er blickte auf seine Zigarrenspitze und blies daran, um sie zum Brennen zu bringen.
    «Entschuldigen Sie die Frage, aber was haben Sie von ihr bekommen?»
    «Nichts.» Plant lächelte. «Sie schenkt mir nie was. Angeblich spart sie für ein besonders großartiges Geschenk. Was das wohl sein wird? Ein neuer, von der IRA ausgestatteter Wagen?»
    Jury grinste und meinte dann, «Ich habe mir ein paar Gedanken gemacht, was diese Morde betrifft, und würde gerne mit Ihnen darüber sprechen.»
    «Ich höre.»
    «Also, am bemerkenswertesten finde ich ihre Auffälligkeit. Wer denkt sich so was aus?»
    «Jemand ganz Abgebrühtes. Vielleicht auch ein Psychopath, aber man würde nicht so schnell dahinterkommen. Die Morde sind unglaublich öffentlich. Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Wenn er jemanden aus dem Weg räumen will, warum verabredet er sich dann nicht mit ihm an einem weniger öffentlichen Ort?»
    Jury zog das zusammengefaltete Titelblatt des Weatherington Chronicle aus seiner Jackentasche. «Ich glaube, ich kann Ihnen sagen, warum.» Er klopfte mit dem Finger gegen das Blatt. «Gasthof-Morde gehen weiter.» Es folgte ein langer Bericht über den Mord an Ruby Judd, im Anschluß daran ein Vergleich mit dem Mord an Creed. «Es s cheint ein bestimmtes Muster zu geben. Die Sache mit den Gasthöfen kann relevant sein oder auch nicht –»
    Melrose Plant blies einen Rauchkringel. «Diese Feststellung, Inspektor, faßt wahrscheinlich eine Million Jahre philosophischen Denkens zusammen: ‹Es kann relevant sein oder auch nicht.›»
    «Mr. Plant, manchmal bin ich froh, daß ich nicht Ihre Tante bin.»
    «Wenn Sie so weitermachen, kann ich sie bald nicht mehr auseinanderhalten.»
    «Seien Sie vorsichtig, Mr. Plant, ich könnte

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