Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Inspektor Jury schläft außer Haus

Titel: Inspektor Jury schläft außer Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
Vom Netzwerk:
Stimme klang ein paar Töne höher.
    «Haben Sie schon mal daran gedacht, daß Simon Matchett hinter Ihrem Geld her sein könnte?»
    «Natürlich. Jeder könnte das!»
    «Ist das nicht etwas zynisch? Nicht alle Männer sind Mitgiftjäger. Frauen wie Sie –» Seine Gedanken drifteten zu dem Foto in seiner Schreibtischschublade – «fordern das Schicksal geradezu heraus. Sie wickeln sich in Ihre Verletzlichkeit ein wie in einen Mantel und sind dann baß erstaunt, wenn die Leute das ausnutzen.»
    «Das ist wohl kaum Zynismus, was Sie da beschreiben.» Ihre Stimme klang wieder normal. «Das klingt eher poetisch.»
    «Lassen wir die Poesie aus dem Spiel. Wie gut haben Sie Ruby Judd gekannt?»
    Sie faßte sich an die Stirn. «Du lieber Himmel. Mit Ihnen zu reden ist ja atemberaubend. Ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht.»
    «Sie kannten sie?»
    «Ja, natürlich. Aber nicht besonders gut. Ich sah sie immer nur im Pfarrhaus.»
    «Was hielten Sie von ihr?»
    Als sie zögerte, sagte Jury: «Versuchen Sie bitte nicht, pietätvoll zu sein, Miss Rivington.»
    «Na schön, ich fand Ruby nicht unsympathisch. Aber sie hatte diese Angewohnheit, immer den Kopf reinzustecken, wenn ich mit dem Pfarrer sprach. Sie war einfach zu neugierig. Überall war sie dabei. Quecksilber im Po. Wahrscheinlich platzte sie vor Energie. Sie soll hinter den meisten Männern im Dorf hergewesen sein: Oliver, wahrscheinlich auch Simon. Und sogar Marshall Trueblood, ob Sie’s glauben oder nicht. Vielleicht ist Melrose Plant der einzige, der ihr entgangen ist.» Sie schwieg einen Augenblick, dann sagte sie: «Apropos Mitgiftjäger» – ihr Lachen klang etwas gekünstelt – «bei Melrose wenigstens habe ich nicht den Verdacht.»
    Es war die Art und Weise, wie sie das sagte. Jury starrte blind auf den Rest Flüssigkeit in seinem Glas. Hätte sie sich nicht einen andern aussuchen können, irgendeinen Robert Redford zum Beispiel?
    «Isabel kann Melrose nicht ausstehen. Warum, habe ich noch nicht herausgefunden.»
    Der Grund war ziemlich offensichtlich, wenn Isabel schon Simon für Vivian auserkoren hatte. Eine äußerst rätselhafte Sache: Welches Interesse konnte Isabel daran haben, daß das Geld, das sie sicherlich von Vivian bekommen würde, in die Hände eines Mannes fiele, den sie nicht wie ihre Stiefschwester unter dem Daumen hatte. Aber vielleicht hatte sie ihn ja unter dem Daumen! Der Gedanke, der Jury bei seiner Unterhaltung mit Plant gekommen war, ließ ihm das Blut in den Adern erstarren.
    «Was macht es Ihnen schon aus, wenn Ihre Stiefschwester für oder gegen ihn ist?» fragte er.
    Sie beantwortete seine Frage nur indirekt. «Haben Sie schon von dieser Sache mit meinem Vater gehört?» Er nickte und sie fuhr fort. «Es war meine Schuld, verstehen Sie. Ich saß auf meinem Pferd, und er kam in die Ställe. Es war stockdunkel, Neumond wahrscheinlich, und er ist um das Pferd herumgegangen. Das Pferd bäumte sich plötzlich auf und schlug aus.» Vivian zog steif die Schultern hoch. «Er war auf der Stelle tot.»
    «Das tut mir schrecklich leid.» Jury dachte einen Augenblick lang nach. «Sie sagten, Sie waren in Nordschottland?»
    Sie nickte. «In den Highlands. Sutherland.»
    «Und es waren nur drei Leute anwesend – Sie, Ihr Vater und Isabel?»
    «Ja. Und eine uralte Köchin. Sie ist inzwischen gestorben.» Vivian starrte auf die unberührte Flüssigkeit in ihrem Glas, als würden sich die Gesichter von damals darin spiegeln.
    «Wie hat sich Ihre Schwester – Ihre Stiefschwester – mit Ihrem Vater verstanden?»
    «Nicht besonders gut. Um ganz ehrlich zu sein, ich glaube, sie hat ihm nie verziehen, daß sie nicht mehr Geld bekommen hat. Ich meine, daß er sie in seinem Testament nicht bedacht hat.»
    «Aber warum hätte Ihr Vater einer Stieftochter, die er nur – wie lange denn? – drei oder vier Jahre gekannt hat, etwas hinterlassen sollen?»
    «Ja, natürlich, das stimmt schon.» Vivian nahm sich eine Zigarette aus der Porzellandose. Ihre erste hatte sich in dem Aschenbecher in eine kleine Schlange aus Asche verwandelt. Sie wedelte mit der Hand, als wolle sie den Rauch der Vergangenheit vertreiben.
    «Sie hatten Ihren Vater sehr gern, nicht wahr?» Sie nickte, den Blick noch immer gesenkt. Er vermutete, daß sie den Tränen nahe war. «Isabel erzählte mir, Sie seien nach dem Streit mit ihm zu den Ställen gerannt und hätten sich auf Ihr Pferd gesetzt. Können Sie sich daran tatsächlich noch erinnern?»
    Sie machte einen verwirrten

Weitere Kostenlose Bücher