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Inspektor Jury spielt Domino

Inspektor Jury spielt Domino

Titel: Inspektor Jury spielt Domino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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ausgerechnet jetzt, wo er nichts unternehmen konnte, erfahren würde, daß Lily seine Enkelin war, wäre das nach all den Verlusten, die der alte Mann hatte hinnehmen müssen, bestimmt zuviel für ihn.
    Wenigstens konnte der Colonel sich damit trösten, daß Julian unschuldig war. «Dann ist Julian … also Gott sei Dank nicht mehr in Gefahr.»
    Julian, der am Kaminsims lehnte, schaute Jury mit einem sonderbaren Lächeln an.
    Nachdem der Colonel gegangen war, gestärkt und beruhigt durch einige Whiskys und Melrose Plants Begleitung, sagte Julian zu Jury: «Leider bin ich das nicht, was meinen Sie? Aber was soll’s. Ich bin froh, daß alles vorbei ist.»
    Jury fragte sich, wie Julian wohl auf die Nachricht reagieren würde, daß Lily eine Crael, Rolfes Tochter war. Es würde ihm die Bürde der familiären Bindungen, unter denen er schon sein ganzes Leben gelitten hatte, bestimmt noch schwerer machen. Jury hoffte, er würde es nie erfahren. «Wissen Sie, Mr. Crael, ich glaube nicht, daß das Gericht sehr streng mit Ihnen verfahren wird. Einem fünfzehn Jahre alten …» Jury zuckte mit den Achseln. «Mord» wollte er nicht sagen. «Und außerdem haben Sie Bertie das Leben gerettet.»
    «Es klingt fast, als wollten Sie sich entschuldigen, Inspektor. Bertie ist wirklich ein cleveres Bürschchen. Zu dumm, daß seine Mutter ihn so schmählich im Stich gelassen hat. Ich werde ab und zu bei ihm vorbeischauen. Falls ich die Freiheit dazu habe.»
    Ironisch hatte er das hinzugefügt, in dem Versuch, seine alte Gleichgültigkeit wiederzuerlangen; eine Attitüde, die in den letzten vierundzwanzig Stunden zusammengebrochen war.
    Julian warf seine Zigarette ins Feuer und streckte ihm wortlos die Hand hin. Jury schüttelte sie.
    An der Tür drehte sich Julian noch einmal um und sagte: «Ich habe mich entschlossen, auf meine Beschwerde bei Scotland Yard zu verzichten.»
    «Worüber wollten Sie sich beschweren?»
    «Über Brutalität von Seiten der Polizei.»
    Mit einem Lächeln, das Jury zum erstenmal aufrichtig erschien, schloß Julian die Tür hinter sich.
     
    «Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Sir … Mein Gott …» Wiggins’ Stimme am Apparat klang unnatürlich hoch und vor Angst richtig gequetscht.
    Jury schloß die Augen angesichts dieser Nachricht. «Wie ist es passiert?»
    «Sie sagte, sie wollte sich einen Tee machen, und ich sagte ja, aber ich müsse mit ihr kommen. Ich habe sie nicht aus den Augen gelassen, glauben Sie mir. Ich hab sie beobachtet wie ein Habicht eine Maus …»
    «Weiter. Was passierte dann?»
    «Wir waren in der Küche. Sie benutzte nicht den Elektrokessel. Ich glaube, spätestens da hätte ich Verdacht schöpfen müssen. Sie setzte einen Topf mit Wasser auf. Ich stand am Herd dicht neben ihr. Und bevor ich überhaupt wußte, was sich abspielte, hatte sie schon das Ganze nach mir geworfen – den Topf, das Wasser und so weiter.»
    «Sind Sie verletzt? Haben Sie sich schlimm verbrannt?»
    «Nein, im ersten Augenblick tat es natürlich weh, und ich riß deshalb die Arme hoch. Das nutzte sie aus, um sich aus dem Staub zu machen. Sie rannte zur Tür hinaus und schob den Riegel vor. Ich brauchte fünf Minuten, um sie aufzubrechen, aber …»
    Sie war verschwunden. «Ist Harkins schon da?»
    «Sie kamen gerade bevor ich Sie anrief. Ich glaube, der wird mich umbringen, Sir.» Er sagte das so nüchtern, daß Jury beinahe lachen mußte.
    «Na, wahrscheinlich braucht er mehr Männer. Aber als erstes schicken Sie jemanden zum oberen Parkplatz. Er soll nachsehen, ob ihr Wagen noch da ist.»
    «Das habe ich bereits gemacht, Sir, ich dachte, daß sie dahin gehen würde, aber anscheinend hat sie das doch nicht getan. Der Wagen ist noch da. Es gibt nur eine Ausfahrtstraße, und die hat Harkins sperren lassen.»
    «Es gibt eine Menge Wege, auf denen man zu Fuß rauskommt. Wir müssen das ganze Dorf abriegeln.» Jury verabschiedete sich. Er wollte gerade den Hörer auflegen, als er Wiggins’ Stimme hörte: «Sir?»
    «Ja?»
    «Ich will mich nicht rausreden. Aber sie war wirklich verdammt schnell, Sir. Ich meine, ich habe noch nie jemanden gesehen, der sich so schnell bewegen konnte.»
    «Ist schon in Ordnung, Wiggins. Hätte jedem passieren können. Ich weiß, daß sie schnell ist. Ich habe sie beobachtet, wie sie mit einem Messer hantierte.»
    Wiggins versuchte zu lachen. «Lieber kochendes Wasser als ein Messer.»

7
    Den ganzen Vormittag durchkämmten sie das Dorf; vor allem konzentrierten sie sich auf das

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