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Inspektor Jury spielt Domino

Inspektor Jury spielt Domino

Titel: Inspektor Jury spielt Domino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Knöpfen ihrer Jacke zu. «Tun wir das nicht alle?»
    Ihre metaphorische Auslegung dieser nüchternen Feststellung verblüffte ihn. Er zog sein Zigarettenetui heraus und bot ihr eine Zigarette an.
    Sie schüttelte ihre Locken und begann ihre Strickjacke wie ein kleines Kind mit zusammengezogenen Augenbrauen aufzuknöpfen. Es war klar, daß Betsy, einmal in Fahrt geraten, nicht mehr zu halten war. Aber er war mehr an Informationen als an Betsy interessiert. Er war in seinem Leben nur wenigen faszinierenden Frauen begegnet, Frauen, die intelligent und interessant waren. Die meisten waren bestenfalls reizvoll, so wie Betsy, die jetzt mit den Knöpfen beinahe fertig war und versuchte, sich der Strickjacke zu entledigen, wobei ihre Shirley-Temple-Locken in Aufruhr gerieten. Es war ein schwieriges Unternehmen, da ihre Jeans sie wie in einer Zwangsjacke festhielten. Unter der Jacke trug sie einen Mini-BH, geblümt wie ihr Slip. Einer der Träger wurde von einer Sicherheitsnadel festgehalten. Ihn überkam ein Gefühl der Trostlosigkeit – er wußte nicht, warum.
    Als ihre Hände nach hinten langten, um den BH zu lösen, sagte er: «Lassen Sie das, Betsy!»
    Sie wandte ihm ihr jungenhaftes Gesicht zu: «Bist du schwul, oder was? Willst nur zugucken? Bist du so eine Art Wojer?»
    Melrose nahm an, sie meinte Voyeur. «Schon möglich», sagte er und zog den Schnappschuß, den er aus Julian Craels Zimmer entwendet hatte, zusammen mit einer Zehnpfundnote aus seiner Brieftasche. Er reichte ihr beides. «Ich will wirklich nur eine Information haben.»
    Sie schaute erst ihn, dann das Geld an. Sie lächelte, und ihr abgebrochener Zahn wurde sichtbar. «Arm sind wir nicht gerade, was? Und feine Klamotten hast du auch.» Sie stopfte das Geld in ihren BH. Ihre Augen verengten sich: «Verflixt! Bist du ein Polyp?» Sie kämpfte wie wild mit ihren Jeans, um sie wieder hochzukriegen.
    «Nein. Sehen Sie sich das Bild an. Haben Sie diese Frau je in den « Sun Palace» reingehen oder rauskommen sehen? »
    Sie schüttelte ihre Locken und schaute sich das Bild genau an. «Ein Luxusfummel, was? Sieht teuer aus.»
    «Das Kleid ist teuer, die Dame aber nicht.»
    «Ist sie im Gewerbe?»
    Melrose rauchte, den Ellbogen auf das Knie gestützt. «Würde mich nicht wundern.»
    Geistesabwesend spielte Betsy mit einer Locke und drehte sie zu einem Korkenzieher um ihren Finger. «Sieht ein bißchen überkandidelt aus, wenn Sie mich fragen.»
    «Das sind nur die Kleider, Betsy.»
    Sie blickte ihm in die Augen. «Klingt nett, wie Sie meinen Namen sagen.»
    «Wie viele Möglichkeiten gibt es denn, ihn zu sagen?»
    Sie zog die Schultern hoch. «Die meisten sagen ihn gar nicht.» Sie lehnte sich zurück, noch immer ohne Strickjacke, und merkte gar nicht, daß die Träger des BHs herunterrutschten und ihre Brüste freilegten. Sie hatte jedes Interesse an dem Foto verloren. Statt dessen schien sie ihm gleich ihre Lebensgeschichte erzählen zu wollen.
    Er kam ihr zuvor: «Vielleicht weiß eine andere etwas – ich nehme an, es gibt hier noch andere?»
    «Sie sind aber hartnäckig», sagte sie, ohne zu lächeln. Sie schob die Träger des BHs hoch und schwang ihre Beine, die jetzt wieder in den Jeans steckten, vom Bett. «Soll ich rumfragen?»
    «Ich wäre Ihnen sehr dankbar. Zeigen Sie das Bild herum, vielleicht erkennt sie jemand wieder.»
    Betsy gähnte. Er fügte noch hinzu: «Für denjenigen, der über sie was herausfindet – wer sie ist und wo sie gelebt hat –, ist ein Fünfziger drin.»
    Das brachte sie schnellstens auf die Beine: «Ein Fuffziger? Heiliger Strohsack! Bin gleich zurück.» Sie wackelte kokett mit den Hüften. «Gehen Sie ja nicht weg.»
    Er hätte auch kaum dafür Zeit gehabt. Fünf Minuten später hörte er ein Geschnatter an der Tür. Drei andere, alle größer als Betsy, standen davor: die Rothaarige, eine Afrikanerin mit langen, lila Ohrringen und eine Dicke, die ihre vierzig Lenze schon längst überschritten hatte. Alle trugen kimonoartige Wickelkleider, als hätten sie gerade ihren Bühnenauftritt hinter sich. Und alle fingen gleichzeitig an zu reden. Aber der Dicken gelang es, sich durchzusetzen.
    «Ich hab sie gesehen», sagte sie, als sie sich nach Atem ringend auf dem Bett niederließ und einen ihrer fetten Schenkel hochzog.
    Dabei kam ein Strumpf zum Vorschein, der unter dem Knie zu einem Wulst gerollt war und von einem Strumpfband gehalten wurde. «Ich kann nicht behaupten, daß ich sie kenne, aber ich hab sie

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