Inspektor Jury spielt Domino
Vergangenheit fest, was Melroses Beifall fand. Auch sein eigenes Haus hatte er in dem Zustand belassen, in dem er es übernommen hatte. Nur wenige Gegenstände waren hinzugekommen, entfernt wurden keine. In seinen Augen war die Vergangenheit, so wie sie unter der Glasglocke von Ardry End erhalten geblieben war, vollkommen. Das war auch einer der Gründe, warum er nicht geheiratet hatte; wie sehr sie auch immer beteuern würde, weder ihn noch die Wohnung verändern zu wollen – mit der Zeit würde eine Frau doch damit anfangen, die Möbel herumzurücken.
Ein Perserläufer in den Farben Blau, Gold und Rosa führte geradewegs auf eine Treppe im Stil der Brüder Adam zu. Sie wand sich nach oben, als schwebe sie im Raum. Im Foyer hatte man die Rezeption diskret zurückversetzt; hinter ihr stand ein Gentleman in der für das «Sawry» üblichen Uniform – schwarzer Anzug und weiße Handschuhe.
«Kann ich Ihnen behilflich sein, Sir?»
«Das können Sie», sagte Melrose. «Ich möchte zu Mr. Crael. Könnten Sie ihn vielleicht anrufen und ihm sagen, Mr. Carruthers-Todd sei hier. Danke.»
Der Hotelangestellte, dessen Miene sich normalerweise auch nach einer Schüssel mit kaltem Wasser ins Gesicht nicht verändern würde, zeigte sich erstaunt. «Oh, es tut mir sehr leid, Sir. Aber Mr. Crael ist nicht bei uns.»
Melroses geheucheltes Staunen übertraf noch das des Angestellten. «Sie müssen sich irren. Ich habe einen Brief von Mr. Crael, der besagt, daß er am Elften im ‹Sawry› absteigen wolle …»
Melrose klopfte demonstrativ seine Taschen ab, als suche er den Brief.
Auf dem Gesicht des Angestellten erschien ein kurzes Lächeln. «Es tut mir leid, Mr. Carruthers-Todd. Könnte es vielleicht sein, daß Sie sich im Datum irren?»
Melrose Carruthers-Todd richtete sich auf und bedachte den Angestellten mit einem ziemlich frostigen Blick, der keinen Zweifel darüber ließ, daß sich die Carruthers-Todds äußerst selten, wenn überhaupt, in etwas irrten. «Es war der Elfte, ich erinnere mich genau.» Seinem Tonfall war anzuhören, daß der Angestellte besser daran täte, Mr. Crael umgehend und heil herbeizuschaffen, sonst würde es Ärger geben.
Er wußte, daß Häuser wie das «Sawry» nur in Notfällen Informationen über ihre Gäste herausgaben. Da er den Mann aber in die unglückliche Position hineinmanövriert hatte, beweisen zu müssen, daß Mr. Crael nicht doch in der Besenkammer eingeschlossen worden war, konnte Melrose getrost darauf warten, daß er das Gästebuch hervorholte.
«Sehen Sie selbst, Sir: Mr. Crael war in der Tat bei uns am 11. Dezember , nicht Januar , Sir.» Der Angestellte unterdrückte ein selbstzufriedenes Lächeln, als er das Gästebuch wieder zuklappte.
«Verflucht!» sagte Melrose und holte tief Luft. «Dann ist also auch Miss March nicht hier?»
Der Angestellte hob fragend eine Augenbraue. «Miss March?
Ich glaube nicht, mich an jemanden dieses Namens erinnern zu können.»
«Temple», sagte Melrose und schnippte mit den Fingern. «Ich meine Miss Temple. Eine Freundin von Mr. Crael.»
«Ach ja. Nein, Sir. Sie ist auch nicht hier, Sir.»
«Hmmm. Ich nehme an, sie ist zur gleichen Zeit wie er abgereist.» Melrose bemühte sich, diesen Satz nicht wie eine Frage klingen zu lassen. Der Mann, den der in Gedanken versunkene Mr. Carruthers-Todd langsam zu ermüden anfing, nickte. «Wirklich eine verflixte Lage. Wenn ich das richtig sehe, bedeutet das auch, daß der arme alte Benderby sie nicht zu Gesicht bekommen wird. Er wird über dieses Durcheinander ganz schön verärgert sein.» Melrose zog einen goldenen Stift und sein kleines Notizbuch aus der Tasche. «Würden Sie ihm das bitte geben, wenn er kommt. Sehr nett von Ihnen, danke.»
Die Verwirrung im Gesicht des Angestellten war echt. «Verzeihen Sie, Sir. Wem soll ich das geben?»
«Benderby. Er wird wahrscheinlich hier aufkreuzen und nach Crael fragen. Ich habe ihm gesagt, daß er uns beide hier antreffen wird, und wahrscheinlich wird er über die ganze Angelegenheit ziemlich verärgert sein. Eustace Benderby. Der Name steht hier auf der Vorderseite.» Melrose blickte den Mann an, als halte er ihn für einen Analphabeten. Der Ärmste war nicht einmal imstande, den Empfänger der Nachricht zu entziffern.
Der Angestellte schob den Zettel in eines der Postfächer. «Ich werde das gewiß für Sie erledigen, Sir.»
Melrose murmelte geistesabwesend noch etwas und marschierte hinaus.
Als er auf der Straße war, pfiff er wieder den
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