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Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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nach Horndean ausgestiegen. Es war der letzte Bus nach Horndean; er kam fünf nach acht in Littlebourne an. Da war’s schon ziemlich dunkel.»
    «Kennington – ich muß den Namen schon mal gehört haben –»
    «Vor ungefähr einem Jahr war er in allen Zeitungen. Lord Kennington hatte eine Schmucksammlung, darunter auch ein Smaragdcollier mit einem sehr seltenen und wertvollen Stein.
    Sein Sekretär, ein Bursche namens Tree, ist damit abgehauen. Ich meine, mit dem Collier. Manchmal scheint es ja noch so was wie Gerechtigkeit zu geben – ein paar Tage darauf wurde dieser Tree nämlich von einem Auto überfahren. Soviel uns bekannt ist, fehlt von dem Collier noch jede Spur.» Carstairs schien sich vom Telefon abgewandt zu haben, um sich mit jemandem zu besprechen, dann sprach er wieder in die Muschel. «Ich werde sofort nachprüfen lassen, was es mit Stonington auf sich hat. Jetzt lebt nur noch Lady Kennington dort, ihr Mann ist gestorben.»
    Jury bedankte sich und legte auf.
     
    Als er zurückkam, stritten die Schwestern sich wegen der Briefe. Augusta schien auf Miss Praed als Verfasserin zu tippen.
    «Die gute, alte Polly?» sagte Ernestine. «Um Himmels willen! Sie würde so was nie tun. Sie ist völlig mit ihren eigenen Geschichten beschäftigt, sie braucht ihre Phantasie nicht auf diese Weise auszutoben.»
    «Aber sie hat zumindest Phantasie», versetzte Augusta.
    Ernestine packte die Katze mit dem gemeinen Gesichtsausdruck, die über die Brotreste hergefallen war, und setzte sie auf den Boden. «Für diesen Brief an dich, altes Haus, brauchte einer schon Phantasie, das mußt du zugeben», wieherte Ernestine und klopfte mit ihrem Schwarzdornstock auf den Boden. «Augusta ist so unschuldig wie ein neugeborenes Lamm.»
    Jury bezweifelte das, als er Augustas Miene sah. Ernestine, die anscheinend immer den Löwenanteil abbekam von dem, was im Leben der beiden passierte, schien den Blick mörderischer Wut aus ihren Augen überhaupt nicht zu bemerken. Und als die Katze, die es aufgegeben hatte, etwas von dem Hühnerfleisch zu ergattern, sich wieder an die Sperlingspapageien ranmachte, dachte Jury darüber nach, wie sonderbar es doch war, daß die eine Schwester sich Katzen und Vögel hielt, während die andere Ornithologin war.
    «Auf wen tippen denn Sie?» fragte er Ernestine.
    Sie stützte das Kinn auf die über dem Stock gefalteten Hände und dachte nach. «Ich tippe auf Derek Bodenheim.» Sie übersah den schockierten Blick ihrer Schwester. «Ein Spatzenhirn, dieser Derek. Als Kind gehörte er zu denen, die Insekten die Flügel ausreißen. Es könnte aber auch die gute, alte Sylvia gewesen sein, wenn ich mir’s recht überlege.»
    «Du beschuldigst einen deiner Vogelfreunde?» sagte Augusta.
    «Unsinn. Wenn einer sich für Vögel interessiert, bedeutet das noch lange nicht, daß er nicht auch mit dem Beil auf seine alte Mutter losgehen kann!»
    «Nein, da haben Sie recht», sagte Jury und steckte seinen Block in die Tasche. «Vielen Dank, daß Sie mir so viel Zeit geopfert haben. Vielleicht muß ich mich später noch einmal mit Ihnen unterhalten. Und bitte, Miss Craigie, keine Ausflüge in den Wald von Horndean.» Aber nein, aber nein, lautete ihre Antwort. Jury wußte freilich, daß sie losziehen würde, sobald er außer Sichtweite war.
    Als Jury ihnen an der Tür noch seine Visitenkarte gab, sagte Augusta: «Ich hoffe doch, daß wegen dieser schrecklichen Geschichte nicht unser Kirchenfest verschoben werden muß. Es soll morgen stattfinden, und ich habe mein Zelt und mein Kostüm schon fix und fertig.»
    Ernestine höhnte: «Sie will als Wahrsagerin auftreten, als Madame Zostra. So etwas Albernes! Wenn die Kirche Geld braucht, warum lassen sie dann nicht einfach den Klingelbeutel durchgehen?» Sie studierte Jurys Visitenkarte. «Haben Sie nicht gesagt, Sie seien Inspektor? Hier steht aber Superintendent. Was ist der Unterschied? Untersteht Ihnen denn der ganze Haufen, oder was?»
    Jury lächelte, während er in den blauen Himmel starrte. «Der Unterschied ist nicht so groß. Sie können es sich ungefähr so vorstellen: Nicht jeder Polizeibeamte ist Superintendent, und nicht jeder Vogel ist ein Tüpfelsumpfhuhn.»
     
     
     
    W ä hrend er die kurze Strecke zur Hauptstraße von Littlebourne zurückfuhr, versuchte Jury sich zu vergegenwärtigen, was ihm an ihren Geschichten so merkwürdig vorgekommen war. Der Wald, die Leiche, die Vögel …?
    Das Detail, auf das es ankam, lag irgendwo begraben, ein Stein auf

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