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Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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genommen; sie sagte: «Ernestine ist Ornithologin. Deswegen haben wir hier so viele Vögel herumstehen. Die Sperlingspapageien gehören mir. Süß, nicht wahr? Ernestine hat schon etliche Artikel über Vögel geschrieben. Ich kümmere mich um den Haushalt.» Sie breitete entschuldigend die Hände aus, als wären sie dieser Aufgabe nicht richtig gewachsen.
    Jury war sich nicht sicher, ob die drei Katzen, die sich vor ihm aufgebaut hatten und ihn anstarrten – die Pfoten ordentlich nebeneinandergestellt und gelegentlich mit den Schwänzen zuckend –, dieselben Tiere waren, die er draußen gesehen hatte, oder andere, dem Dunkel des Hauses entsprungene Geschöpfe. Sogar am hellichten Tag brauchte man elektrisches Licht, und die große Stehlampe neben Miss Craigies Sessel brannte auch. Der mit Fransen besetzte Schirm verbreitete ein trübes Licht. Die Katze mit dem gemeinen Gesichtsausdruck sprang auf ihren Schoß und versetzte ihr einen mörderischen Hieb mit der Pfote, den Miss Craigie überhaupt nicht wahrzunehmen schien.
    «Ernestine ist die Vorsitzende der Vogelfreunde von Hertfield. Gewöhnlich ist sie schon vor fünf mit ihrem Feldstecher unterwegs … Sie sehen, es ist also ganz normal , daß sie auf … auf diese arme Frau gestoßen ist.»
    Augusta gehörte offenbar zu den Leuten, die für alles eine Erklärung parat haben müssen, und Jury ließ sie reden. Sie deutete jedoch sein Schweigen als Schuldzuweisung und schmückte eilig das Ganze noch weiter aus. «Sie war gerade dabei, eine dieser kleinen Karten für die Vogelbeobachter zu zeichnen. Wir benutzen sie, wenn wir gemeinsam losziehen; gewöhnlich in kleinen Gruppen, wenn es etwas Besonderes gibt – wie zum Beispiel das Tüpfelsumpfhuhn …» Ein bitterer Ton schlich sich ein, als sie sagte: «Wissen Sie, für mich war das genauso schlimm – wirklich genauso schlimm!» Sogar in dem trüben Licht sah Jury die Röte, die ihr Gesicht überzogen hatte: Sie war damit herausgeplatzt, als hätte Ernestine sich nun lange genug im Rampenlicht gesuhlt. «Zu sehen, wie dieser Hund auf mich zukam mit diesem – Ding im Maul.» Augusta sank in ihren Sessel zurück, fuhr dann aber plötzlich wieder hoch und beförderte dabei die Katze auf den Boden, die daraufhin die Sperlingspapageien zu belauern begann. «Ich versteh das alles nicht, Inspektor. Offensichtlich sind wir die Sündenböcke. Als hätten die Polizisten – Sie – uns im Verdacht.
    Vor Ihnen war schon dieser andere Inspektor aus Hertfield da und hat uns mit Fragen bombardiert … Wirklich, es ist einfach ungerecht.»
    Jury überging seine Degradierung und sagte: «Ich hoffe, Sie verstehen, wie wichtig es für uns ist, alle, die mit der Entdeckung der Leiche zu tun hatten, zu befragen. Wir wollen Sie keineswegs belästigen. Wenn Sie und Ihre Schwester nicht gewesen wären, würde sie vielleicht immer noch da draußen im Wald liegen.» Jury lächelte.
    Die plötzliche Verwandlung vom Opfer zur Heldin veranlaßte Augusta, sich über das Haar und anschließend über den Rock zu streichen. Sie konnte es sich nun auch erlauben, ihrer Neugier freien Lauf zu lassen. «Wer war sie denn? Wissen Sie das?» Jury schüttelte den Kopf. «Von uns hat sie keiner gekannt. Vielleicht kam sie aus Horndean oder Hertfield. Ich hab gerade eben mit Miles Bodenheim – Sir Miles – gesprochen, und wir waren uns einig, daß der Mörder höchstwahrscheinlich ein Psychopath ist, aus London vielleicht –» (auf Urlaub, fragte sich Jury). «Man denkt sofort an Jack the Ripper.» Der kleine Schauer, der sie durchlief, schien eher ein Schauer der Lust als des Entsetzens zu sein. «Erinnern Sie sich, wie er seine Opfer verstümmelt hat?»
    «Nein, so würde ich den Fall hier nicht sehen.»
    Augusta ließ sich jedoch nicht beirren. Wie ein Spürhund war sie auf die blutigen Details aus und beschrieb den Fund der Leiche, wie ihre Schwester ihn ihr geschildert hatte. Diese schien sich erhoben zu haben; Gepolter, knarrende Dielen und Schritte auf der Treppe kündigten ihr Erscheinen an.
    «Das muß Ernestine sein. Ich kann mir nicht vorstellen, warum sie schon aufgestanden ist. Das reinste Wunder, daß sie nicht ohnmächtig wurde – Ernestine! Du solltest im Bett bleiben, wirklich!»
    Falls die Person, die den Durchgang blockierte, Ernestine war, stand nicht zu befürchten, daß irgend etwas sie umwerfen würde. Eine gedrungene, vierschrötige, energische Person. Jeden Einwand gegen den Kurs, den sie eingeschlagen hatte, räumte sie

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