Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd
zweifellos mit Hilfe des Schwarzdornstocks in ihrer Hand aus dem Weg. Selbst die Katzen stoben auseinander. Über ihrem stattlichen Busen trug sie eine fest zugeknöpfte Segeltuchjacke, und die gestrickte Mütze hatte sie sich so energisch über die Ohren gezogen, daß nur ein graues Haarbüschel und eine Andeutung von Augenbrauen zu sehen waren.
« Raus , natürlich», lautete die schnippische Antwort auf die schüchterne Frage ihrer Schwester, wo sie denn hinwolle. «Ein bißchen Ruhe, mehr war nicht nötig. Ich muß mir nur noch die Gummistiefel anziehen –»
«Aber du kannst doch unmöglich in den Wald von Horndean zurück. Der Herr hier ist von Scotland Yard und möchte dir Fragen stellen.»
«Warum sollte ich nicht zurückgehen? Das Tüpfelsumpfhuhn wartet nicht ewig. Ich nehme doch an, die Polizei hat inzwischen alles hübsch sauber aufgeräumt, nicht wahr, Inspektor?»
«Wir haben die Leiche weggebracht, Ma’am. Trotzdem können Sie noch nicht wieder in diesen Teil des Waldes.»
«Und warum nicht, bitte? Die Tüpfelsumpfhühner sind beinahe ausgestorben, Sir. Sie sind, wenn überhaupt, nur an dieser Stelle zu sehen. Sie mögen Feuchtigkeit, wissen Sie.» Sie ging zu der Bank neben der Tür, wo ihre Gummistiefel warteten, stramm wie Soldaten. Ließ sie sich nur mit Gewalt aufhalten?
«Das Tüpfel –, was ist denn das?»
Sie blieb stehen, wandte sich um. «Das große Tüpfelsumpfhuhn. Sie wollen doch nicht behaupten, Sie hätten noch nie davon gehört?»
«Nein, noch nie. Ist es denn so selten?»
«Selten? Selten? » Sie kam wieder ein paar Schritte zurück. «In den letzten drei Jahren wurde es nur dreimal gesichtet. Einmal auf den Orkneys, einmal auf den Hebriden und einmal in Torquay. Es ist offensichtlich etwas von seinem Kurs abgekommen.»
«Und Sie haben es im Wald von Horndean gesichtet?»
«Ja, ich denke doch.» Sie knöpfte ihre Jacke wieder auf.
«Ich hab einen Freund, der einmal einen Spix Ara gesehen bat», sagte Jury und bot ihr eine Zigarette an, nach der sie geistesabwesend griff.
Ihre Augenbrauen gingen in die Höhe und verschwanden völlig unter der heruntergezogenen Strickmütze. «Das ist unmöglich! Spix Aras wurden nur in Brasilien gesichtet. Irgendwo im Nordwesten von Bahia. Das ist ein äußerst seltener Vogel.» Sie ließ sich in den andern kretonnebezogenen Sessel sinken, als müsse sie sich von diesem Schock erholen.
Jury schüttelte den Kopf. «Vielleicht hat er sich verirrt.»
Sie betrachtete ihn mit äußerstem Mißtrauen und meinte: «Ich kann nicht glauben, daß diese Person einen gesehen hat. Ich bin Ornithologin, und ich halte mich auf dem laufenden. Von einem Spix Ara habe ich nichts berichten gehört.» Ihre Augen verengten sich, als sie an der Zigarette zog, die sie zwischen Daumen und Zeigefinger festhielt. «Beschreiben Sie ihn.» Als nehme sie einen Mordverdächtigen in die Zange.
«Na, blau, nach der Aussage meines Freundes. Auf dem Rücken und den Flügeln etwas dunkler. Und, hmm, ungefähr sechzig Zentimeter groß.»
In der kurzen, verblüfften Pause, die daraufhin erfolgte, starrte Ernestine auf ihre Schwester. Jury dachte schon, sie würde Augusta für diese haarsträubende Spix-Ara-Geschichte verantwortlich machen. Aber sie sagte nur: «Augusta, hock hier nicht rum wie ein Huhn auf der Stange. Wir könnten einen kleinen Snack vertragen. Wie wär’s mit ein paar belegten Broten?» Und dem ergebenen Rücken ihrer Schwester rief sie noch nach: «Im Kühlschrank ist gehacktes Hühnerfleisch!» Dann machte sie es sich wieder in ihrem Sessel bequem, um mit Jury zu fachsimpeln. «Der Spix Ara ist …»
Jury gab ihr genau drei Minuten, dann fand er es an der Zeit, sie von den Vögeln auf die Vogelbeobachter zu bringen. «Wie oft trifft sich Ihre Gruppe?»
«Einmal im Monat, am dritten Montag.»
«Und wer gehört dazu?»
«Die Bodenheims – Miles und Sylvia. Mainwaring und seine Frau, wenn sie zu Hause ist.» Ernestine grinste.
«Heißt das, daß sie häufig nicht zu Hause ist?»
«Da kriselt es, wenn Sie mich fragen.»
Augusta kam mit einer Platte belegter Brote zurück, die wie eingesäumt aussahen, so akkurat waren sie geschnitten. Jury lehnte dankend ab, ließ sich aber eine Tasse Kaffee einschenken.
«Sagen Sie, Miss Craigie, Sie müssen sich doch Gedanken über dieses Mädchen gemacht haben – wer sie war oder zumindest, was sie in dem Wald verloren hatte?»
Ohne sich darum zu kümmern, daß sie den Mund voller Hühnerfleisch hatte,
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