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Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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konnte man diesen Vorwurf nicht machen – schüchtern und ergeben bog sie ihren Gürtelzipfel um, als wolle sie sich eine Schlinge daraus drehen. Der Blick der Hageren schweifte im Zimmer umher, blieb an Melrose hängen und wandte sich wie ertappt wieder ab.
    «Sind Sie denn sicher, Ernestine, daß die Polizei den Wald nicht absperren läßt?»
    «Bah. In ein paar Tagen sind die wieder verschwunden. Sie können sich ja nicht ewig da rumtreiben.»
    «Sie können sich so lange rumtreiben, wie es ihnen paßt», sagte Mainwaring; es hörte sich nicht gerade glücklich an.
    «Machen Sie kein Theater, Freddie. Das Tüpfelsumpfhuhn wird nicht ewig auf uns warten, Mord hin, Mord her. Also Punkt fünf. Es wird ein sensationeller Morgen, wenn wir uns alle an die Routen halten.» Sie wedelte Melrose mit ihren Plänen vor dem Gesicht herum. «Man trifft nicht alle Tage auf ein Tüpfelsumpfhuhn.» Es klang, als kämpften sie und der Vogel um die Weltmeisterschaft im Boxen – Weltergewicht.
    «Kann man wohl sagen», meinte Melrose; er nahm die Brille ab und rieb sie mit seinem Taschentuch blank. «Ich hab auch nur einmal in meinem Leben eines gesehen.» Verblüfftes Schweigen. Dann sagte sie: «Das kann gar nicht sein. Es wurde in den letzten zehn Jahren nur dreimal gesichtet: auf den Orkneys, den Hebriden und in Torquay. Wo meinen Sie, hätten Sie es gesehen? Und sind Sie sicher, daß es ein Tüpfelsumpfhuhn war?»
    Er hätte sich noch so sehr anstrengen können, es wäre ihm nicht viel zu dem Vogel eingefallen. «In Salcombe.»
    «In Salcombe! Das ist unmöglich!» Torquay war schon außergewöhnlich genug. Und nun auch noch in Salcombe! Der Vogel hatte wohl den Verstand verloren.
    «Na ja, weit entfernt ist das ja nicht, das müssen Sie zugeben.»
    Mainwaring versuchte zu vermitteln, indem er sie einander vorstellte. Mr. Plant wurde mit Ernestine und Augusta Craigie bekannt gemacht.
    Sie waren also Schwestern? Seltsam. Aber es gab wohl doch eine Ähnlichkeit zwischen ihnen, die Spuren eines Stempels, den die Eltern auf ihren Gesichtern hinterlassen hatten. Er neigte höflich den Kopf, während er sich erhob, um Ernestines Hand zu ergreifen, die wie auf Knopfdruck hervorgeschnellt kam. Sie bewegte Melroses Hand auf und ab wie einen Pumpenschwengel.
    «Bleiben Sie länger? Sind Sie auf Besuch hier? Sie müssen mitkommen. Sie können die grüne Route übernehmen.» Sie blickte auf ihren Plan. «Wunderbar. Sie können sich Sylvia und Augusta anschließen. Da haben Sie Glück – die beiden sind nämlich richtige Profis.»
    Sylvia Bodenheim um fünf Uhr morgens – womit hatte er das verdient?
    «Ernestine, Mr. Plant will sich in Littlebourne nur Häuser anschauen. Er ist bestimmt schon wieder abgereist, wenn wir uns treffen.»
    «Ich danke Ihnen trotzdem für die Einladung. Was für ein Fernglas benutzen Sie eigentlich?» Es baumelte an einem Riemen über ihrem Busen. Er glaubte bemerkt zu haben, daß es ein besonders gutes war. In seinem Leben hatte es einmal eine unglückliche Phase gegeben, in der er einen Sommer lang die Rennen von Newmarket besuchte. Damals hatte er eine ganze Reihe von Ferngläsern ausprobiert.
    «Dieses hier? Das ist ein Zeissglas.» Sie gab Melrose eine Kopie ihres Plans und sagte: «Da, nehmen Sie, falls Sie doch noch hier sind. Viel zu erklären gibt es da nicht. Auf Wiedersehen, Freddie!» Mit Papiergewedel verabschiedete sie sich.
    «Vögel scheinen hier ja eine große Rolle zu spielen, wenn sie sogar einen Mord in den Hintergrund drängen.»
    Mainwaring lächelte. «Ernestines Begeisterung reicht für uns alle. Sie kennt jeden Quadratzentimeter Wald. Kein Wunder, daß sie die Leiche gefunden hat. Sie ist ständig dort.»
    «Sie hat die Leiche gefunden?» Melrose drehte sich nach der Tür um, die sie gerade hinter sich geschlossen hatte. «Dann hat sie sich aber schnell von dem Schock erholt.»
    Durch das Fenster sah er eine dunkelhaarige Frau vorbeigehen, die Mainwaring zuwinkte und etwas zögerte, als frage sie sich, ob sie eintreten sollte oder nicht; sie wandte sich jedoch wieder ab, um eingehend den Baum vor der Tür zu betrachten.
    «Ich muß weiter», sagte Melrose.
    «Sie rufen mich zurück?»
    «Aber sicher. Stonington scheint genau das richtige zu sein.»
    Als er aus der Tür ging, dachte er schon gar nicht mehr an Stonington. Er dachte vielmehr an diese Craigie. Seltsam, daß jemand mit einer solchen Vorliebe für den Wald keine Bedenken hatte, für alle Welt sichtbar mit diesem Feldstecher

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