Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd
Schmuck. Und eine seltsame Botschaft.»
«Was für eine Botschaft?»
Jury schüttelte den Kopf. «Ich bin nie daraus schlau geworden.»
Emilys Augen erschienen über der Tischkante und fixierten Jury. Dann sprang sie unvermittelt auf, schnappte sich ihre Buntstifte und das Malbuch und sagte: «Ich muß jetzt gehen.» Als wären ihr plötzlich zehn verschiedene Verabredungen eingefallen.
Als sie verschwunden war, sagte Melrose: «Das war absolut faszinierend.»
Jury unterbrach ihn. «Behalten Sie sie bitte im Auge. Ich glaube, Sie haben recht. Sie scheint etwas zu wissen.»
«Aber mir wird sie’s bestimmt nicht verraten!» Als Jury nichts darauf antwortete, fuhr er fort: «Sie soll die Kinder in einem Pferdewagen herumkutschieren. Morgen findet hier nämlich ein Fest statt, wußten Sie das schon?»
Jury schüttelte den Kopf. «Als nächstes muß ich mit dieser Lady Kennington sprechen. Aber zuerst werde ich ein Schläfchen halten, mein Gott bin ich müde!»
«Jimmy Poole hat Sie wohl geschafft.»
Jury lächelte und gähnte, während er das Fenster aufdrückte und dabei mit den braunumrandeten Kletterrosen ins Gehege kam.
«Ich erinnere mich vage», sagte Plant, «daß Sie mir erzählt haben, Sie seien in London geboren und aufgewachsen. Dieses Dorf hat es wohl nie gegeben, oder? Genausowenig wie Jimmy Poole?»
Jury dachte an die bläulichen, kalten Lichter, die in der Fulham Street angegangen waren, an das Mädchen mit der Puppe, die Frau mit dem Kinderwagen, an den Jungen, der mit seiner Gitarre vor der Kneipe stand. Die verschwommenen Umrisse von Rosenblättern drifteten in der Dunkelheit vorbei.
«Einen Jimmy Poole gibt es immer.» Er leerte sein Brandyglas und wünschte Melrose gute Nacht.
15
Melrose sog den schweren Duft der Rosen ein, die Sylvia Bodenheims Schere entgangen waren, als er auf der andern Seite der Ligusterhecke einen gellenden Schrei hörte. Da die Ställe sich dahinter befanden, zwängte er sich einfach durch die Hecke, sehr zum Ärger des Gärtners, der den Hals verrenkte, um zu sehen, was dieser Fremde seiner kunstvoll geschnittenen Hecke antat.
Melrose wußte nicht genau, was ihn beim ersten Sonnenstrahl geweckt hatte; da es ihm aber nicht gelungen war, wieder einzuschlafen – vielleicht teilte er Jurys Unbehagen, Emilys Sicherheit betreffend –, hatte er sich angezogen, gemächlich ein paar Tassen Tee getrunken und sich dann schließlich auf den Weg nach Rookswood gemacht. Er wußte, daß er sie dort antreffen würde, da sie die Pferde für das Fest herrichten mußte.
Es war auch eindeutig ihre Stimme, die da nun brüllte: «Gib’s her, gib’s her!» Und das ziemlich unangenehme Lachen, das darauf folgte, war eindeutig das eines Mannes.
Als Melrose um die Stallecke bog, sah er den weißen Pulloverärmel von Derek Bodenheim, der ein Buch hochhielt. Weder Derek noch Emily konnten Melrose sehen, da er seitlich neben der Stalltür stand. Sie waren auch viel zu sehr in ihr Fangspiel vertieft – obwohl es den Anschein hatte, als wäre es für Emily kein Spiel.
Derek wandte Melrose den Rücken zu, als dieser auf ihn zuging, seinen silberbeschlagenen Stock erhob und ihn geradewegs auf Dereks Armbeuge heruntersausen ließ. «Also wirklich, alter Junge, sie hat Sie höflich darum gebeten.»
«Was zum Teufel –?» stieß Derek hervor, rieb sich den Arm und starrte Melrose wütend an.
Emily hatte sich schnell ihr Buch geschnappt. Ihr Gesicht war ganz rot vor Anstrengung.
«Dumme Gans», sagte Derek zu ihr. Dann konzentrierte sich sein Ärger auf Melrose. «Was fuchteln Sie denn auf fremder Leute Eigentum mit Ihrem Stock herum? Was haben Sie hier überhaupt verloren?»
Melrose ging darauf nicht ein. Er fragte sich, was für ein Kerl das war, der sich einen Spaß daraus machte, eine Zehnjährige zu ärgern. «Sie gehn jetzt brav nach Hause!»
« Ich soll gehen! Wer glauben Sie denn, wer Sie sind?» Und zu Emily gewandt: «Warte nur, ich werd deiner Mutter sagen, daß du solchen Schweinkram liest.»
«Hau ab! Das ist kein Schweinkram. Außerdem hab ich’s gar nicht gelesen.»
Wütend ging Derek über den Hof und ließ den Kies unter seinen Füßen knirschen.
Emily blickte von dem silberbeschlagenen Spazierstock auf Melrose. «Haben Sie schon mal jemanden umgebracht?» fragte sie hoffnungsvoll.
«Nur damals in der Fremdenlegion. Was zum Teufel war eigentlich hier los?»
Das Buch fest unter dem Arm geklemmt, suchte sie nach ihrer Heugabel. «Er ist unausstehlich.» Dann
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