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Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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aschenputtelähnlichen jungen Mädchens stieß, dessen winziger Fuß von einem jungen Mann mit einem Pagenkopf in einen gläsernen Schuh gesteckt wurde. «Da. Das können Sie ausmalen. Gefällt mir sowieso nicht.»
    «Ausmalen? Du lieber Himmel, ich will nichts ausmalen. Ich brauche nur die Rückseite, um etwas aufzuzeichnen.»
    «Sie meinen, ich soll das Blatt rausreißen?» Skandal!
    «Ich kauf dir ein neues Buch.»
    Sie sah von dem Prinzen mit dem Schuh in der Hand zu Melrose hoch. «Ist schon gut. Er sieht auch zu blöd aus.»
    Sorgfältig falzte sie die Seite, fuhr an dem Kniff entlang und riß sie aus dem Buch.
    «Danke», sagte Melrose kühl. Er nahm einen roten Farbstift und zog damit eine Gerade auf der Rückseite des Blattes. Mit einem blauen Farbstift zog er eine zweite Linie, die sich mit der roten schnitt.
    Emily zeigte sich interessiert. «Was machen Sie da?»
    «Die Flugrouten des Tüpfelsumpfhuhns aufzeichnen.»
    Sie vergaß ihre zitronengelbe Kuh, nahm das Kinn zwischen die Hände und beobachtete, wie Melrose die rote Linie mit einer steil nach oben verlaufenden grünen Linie halbierte. Einen Augenblick später war das ganze Blatt mit Linien bedeckt, die in alle Richtungen verliefen. «Das ist es nicht», sagte er.
    «Sieht blöd aus.»
     
    «Streitet euch nicht, Kinder», ließ sich Jurys Stimme hinter ihnen vernehmen. «Er soll sich sein eigenes Malbuch kaufen», fuhr Jury fort, der neben Emily Platz nahm und sofort in den Genuß ihrer ungeteilten Aufmerksamkeit kam. «Was ist denn das?» Jury schob das von Melrose buntlinierte Blatt über den Tisch. «Wohl von Jackson Pollock inspiriert.»
    Emily hielt ihm ihren Bauernhof unter die Nase. «Ist das nicht hübsch?»
    «Sehr hübsch. Ich hatte auch mal einen lila Hund.»
    Erstaunen breitete sich auf Emilys Gesicht aus. «Tatsächlich?»
    «Er ist natürlich nicht lila auf die Welt gekommen. Aber in der Gasse, in der er immer herumstöberte, hatte mal jemand ein paar Farbdosen abgestellt. Mein Hund steckte immer überall seine Schnauze rein und hat sich von oben bis unten bekleckert. In einer Dose war etwas grüne Farbe; als sie umkippte, hat er von der auch was abgekriegt. Aber nur an ein paar Haarspitzen.»
    «Das muß ein toller Hund gewesen sein. Ist er daran gestorben?»
    «Nein. Aber die Farbe ist nicht mehr rausgegangen.»
    «War er auch noch lila und grün, als er starb?»
    «Ja. Zwar etwas verblaßt, aber immer noch ziemlich bunt.»
    Sie hatte einen grünen Farbstift hervorgekramt und strichelte damit auf dem lila Hund herum.
    Melrose schob Katie O’Briens Plan zu Jury hinüber, frustriert, weil die Antwort ihm nicht einfach in die Augen stach wie die Lichtreflexe auf den Flügeln einer Möwe. Schon wieder diese vogelkundlichen Metaphern!
    Verständnislos starrte Jury darauf: «Woher haben Sie denn das?»
    Emily erzählte ihm von Katie.
    «Falls was passiert, hat sie gesagt?»
    Emily nickte und machte sich daran, die Buntstifte und das Buch zusammenzupacken. «Ich muß um halb elf auf dem Fest sein.» Offensichtlich wollte sie mit der Sache nichts mehr zu tun haben, nachdem sie Scotland Yard ihr Geheimnis anvertraut hatte.
    Jury hielt sie jedoch am Handgelenk fest. «Ist das wirklich alles , was sie zu dir gesagt hat?» Emily nickte. «Hast du das nicht merkwürdig gefunden?» Wieder nickte sie, und ihre Stirn legte sich in tiefe Falten, während sie Melrose einen Blick zuwarf, als wäre er an allem schuld. Jury bohrte: «Hat sie vielleicht auch mal London oder ihren Musiklehrer erwähnt? Oder ein Spiel, das Magier und Kriegsherren heißt?»
    «Ja, aber ein anderes Mal.»
    «Und was hat sie bei diesem anderen Mal gesagt?» fragte Jury geduldig, ohne ihr Handgelenk loszulassen.
    «Sie sagte, es sei ein Spiel, das sie in London gesehen hätte. Es soll sehr viel Spaß gemacht haben.»
    «Und sonst hat sie nichts weiter erzählt? Von einer Kneipe in London, wo es gespielt wurde?»
    Emily schüttelte heftig den Kopf. Der Ausdruck auf dem kleinen Gesicht war mitleiderregend und Jurys Meinung nach genauso einstudiert wie das Stirnrunzeln. «Bitte, lassen Sie mich los. Ich muß mich um die Pferde kümmern.»
    Jury lockerte seinen Griff. «Gut. Vielen Dank, Emily.»
    Als sie Jurys Lächeln sah, schien sie es plötzlich nicht mehr so eilig zu haben. Sie zögerte, ging dann schließlich doch auf die niedrige Türöffnung zu und huschte an Peter Gere vorbei, der sich gerade unter dem Balken durchduckte.
    «Was hat es denn mit diesem Spiel auf sich?»

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