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Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Waldes von Horndean abgesteckt hatte. Melrose war gekommen, um Emily Louise seine (unerwünschte, wie sie ihm gleich zu verstehen gab) Hilfe anzubieten; sie war gerade dabei, Pferd und Wagen für die Ausfahrten fertig zu machen. (Obwohl der Wagen geschlossen war, sprach Sylvia Bodenheim immer von ‹ihrem Phaeton›.) Ein paar Minuten hatte die Auseinandersetzung zwischen Emily Louise und Sylvia Bodenheim gedauert; es ging um eine Schleife, die aus der goldenen Mähne der Stute verschwunden war. Emily bestritt, jemals eine solche Schleife gesehen zu haben. Nachdem Sylvia über die Wiese den Rückzug angetreten hatte, machten sich Emily und Melrose wieder am Wagen zu schaffen, und Emily wies ihn bei jeder Gelegenheit darauf hin, daß er die Schleifen und Girlanden völlig falsch anbringe. Der Wagen war aus edlem, wenn auch an einen Sarg erinnerndem Ebenholz; die hohen Türen hatten einen goldenen Rand und waren außerdem noch mit goldenen Bändern geschmückt. Alles in allem ein spektakulärer Anblick, eines Königs würdig – sei es als Hochzeitskutsche oder als Leichenwagen. Das goldene Band paßte zu dem Fell des Pferds, eines außergewöhnlich eleganten Tiers, das der stolze Besitzer Emilys treusorgenden Händen anvertraut hatte.
    Auch deswegen war es zum Streit gekommen: Emily hatte darauf bestanden, daß das Pferd seine Ruhepausen brauche. Sie würde die Kinder nicht länger als zwanzig Minuten herumkutschieren; danach müßten Pferd und Wagen bei den Eschen am Waldrand abgestellt werden, damit das Pferd Gelegenheit zum Grasen hätte. Die Bodenheims meinten jedoch, das sei Unsinn: Die Ausfahrten seien eine der Hauptattraktionen des Festes; mit ihnen ließe sich am meisten verdienen. Wäre das Pferd aber nur zwei Drittel der Zeit im Einsatz, so bedeute das beträchtlich schmälere Einnahmen zugunsten des Kirchenfonds.
    An Emily Louises christliches Gewissen zu appellieren war jedoch ebenso wirkungsvoll wie ein Aufruf an die Toten, sich zu erheben und zu den Wurfbuden hinüberzugehen. Natürlich setzte sie sich durch – wie immer, soweit Melrose das beurteilen konnte (er fragte sich, wie ihre Mutter das aushielt). Keine Pause, keine Ausfahrten, hatte sie immer nur wiederholt. Sie hatte die Bodenheims in der Hand und wußte das auch, denn der Besitzer des Pferds ließ niemand anderen an das Tier.
    Sie hatte eine hübsche, schattige Stelle für Pferd und Wagen ausgesucht und aus Holzscheiten und Brettern eine Art Barrikade errichtet, an der sie ein Schild anbrachte: ZUTRITT VERBOTEN. Melrose, der den Wagen fertig dekoriert hatte, schenkte ihren Worten keine weitere Beachtung – sie unterhielt sich sowieso nicht mit ihm, sondern mit dem Pferd und über so langweilige Dinge wie Gerste und Bremsen.
    Er schaute zum Wald von Horndean hinüber und dachte an Ernestine Craigie und ihren Feldstecher. Es gab wohl kein Fleckchen Wald, das Ernestine nicht vertraut war – bestimmt kannte sie jedes Blatt, jede Feder, jeden Sumpf und jeden Kiesel in dem Bach, in dem die Leiche von Cora Binns mit dem Gesicht nach unten aufgefunden worden war. Der Bach interessierte ihn besonders: Wie lang war er, und in welche Richtung floß er? Der Bach des Bluts? Er runzelte die Stirn.
    Vor allem störte ihn die Tatsache, daß der Plan, den Jury nach London mitgenommen hatte, auch nicht die einfachsten Schlüsse zuließ: Selbst bei erfundenen Lageplänen verborgener Schätze bestand zwischen den Einzelheiten ein gewisser logischer Zusammenhang. Den gab es sogar zwischen dem Zwerg und der Prinzessin, die gerade düsteren Blickes die Schlange erwartungsfreudiger Knirpse musterte, die sich für die erste Ausfahrt angestellt hatten. Sie verkündete, mehr als drei könne sie pro Fuhre nicht mitnehmen (obwohl Platz für sechs vorhanden war), weil das Pferd nicht überanstrengt werden dürfe. Worauf die Kinder in der Schlange lange Gesichter machten und tiefe Seufzer von sich gaben. Inzwischen hatte sich ein gutes Dutzend angestellt, und Emily sammelte die Karten ein, als fahre sie mit ihnen zu einem Begräbnis. Die drei, die zugelassen wurden, bekamen auch gleich einen Rüffel, weil der Wagen zu schaukeln anfing, als sie auf ihre Sitze kletterten.
    Melrose beobachtete, wie Emily sich auf den Kutschbock schwang, sich mißgelaunt nach dem Wagen umschaute und dann mit der Zunge schnalzte, um die Fuhre in Bewegung zu setzen.
    Es würde eine kurze Fahrt werden, davon war er überzeugt.
    Melrose lehnte sich an den nächstbesten Baum und blickte zum Wald

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