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Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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riesige Tasche auf ihren Schoß und sah so feindselig drein wie die Vorfahren der Bodenheims, deren Porträts die Wände zierten. Klein-Betty war ein mondgesichtiges Kind mit kleinen, braunen Knopfaugen, dem es anscheinend großen Spaß machte, den klebrigen Blutfleck auf seinem Schuh zu betrachten.
     
    Ohne Rücksicht auf ihre Migräne hatte man Sylvia aus dem Bett geholt und zur Befragung in den Salon zitiert. Unter ihren Augen waren dunkle Ringe, ihr Gesicht wurde immer grünlicher, und sie zerknüllte nervös ihr Taschentuch. Schuld an ihrer Verfassung war wohl weniger der Gegenstand, der von ihrem Trödeltisch entwendet worden war, oder die Tragödie, die sich im Anschluß daran abgespielt hatte, als die Tragödie, die sich da in ihrem Salon abspielte, in der nun schlichte Dorfbewohner und, schlimmer noch, völlig fremde Leute eingefallen waren.
    Der Salon war ein mit rubinrotem Samt, cremefarbenem Brokat und viel Gold ausgestatteter Raum, der aus einer Zeitschrift für Innenarchitektur zu stammen schien. Auch die Gemälde fehlten nicht: Porträts Bodenheimscher Ahnen und Ansichten des Versailler Parks, die einen so scheußlich wie die andern. Die Polizei hatte den Raum gewählt, weil sich an ihn Sir Miles’ gemütliches kleines Studierzimmer anschloß, in dem Inspektor Carstairs die Zeugen vernehmen konnte. Ein Polizist bewachte die Tür. Das Kleinod von Rookswood war so zu einer Art Wartesaal degradiert.
    Melrose bemerkte, wie Sylvia eines der schmuddligen Kinder aus dem Wagen zurechtwies. Es hatte anscheinend den mit Brokatstoff verkleideten Klingelzug als Spielzeug betrachtet. Seine Mutter schnappte sich die Kleine mit einem «Komm her, Schätzchen» und einem giftigen Blick auf Sylvia.
    Das Schätzchen tat so, als vergrabe es das Gesicht im Schoß seiner Mutter, in Wirklichkeit streckte es jedoch Melrose oder Emily Louise die Zunge heraus. Diese erwiderte die Geste, und das ging so lange, bis die Mami ihrem Schätzchen eine so kräftige Ohrfeige versetzte, daß es beinahe auf das kleine brokatbezogene Sofa flog.
    Die übrigen Bodenheims trugen empörte und gelangweilte Mienen zur Schau; die beiden Craigies saßen stocksteif an der Wand, Miss Pettigrew zog die Brauen zusammen, als knete sie im Geist den Teig für ihre Muffins.
    Die Tür ging auf, und Freddie Mainwaring kam aus dem Studierzimmer getaumelt – aschgrau, von den grauen Hosen bis zum bleichen Gesicht. Als nächster wurde Derek in das Zimmer gerufen. Es war, als würde man zum Schuldirektor zitiert.
    Unbestrittener Star des Ganzen, wenngleich sie so ungnädig reagierte wie immer, wenn Anspruch auf ihre kostbare Zeit und Person erhoben wurde, war Emily Louise Perk. Schließlich war es ihr Wagen gewesen, ihr goldbraunes Pferd, das am Waldrand gegrast hatte, und also auch ihre Leiche. Sie hatte ihren kleinen Auftritt gehabt, als sie von Kriminalinspektor Carstairs vernommen wurde – und wenn Melrose mit einem Mitleid hatte, dann mit Carstairs. Er fragte sich, was der arme Kerl mit seinem anbiedernden ‹Na, kleines Fräulein› wohl aus Emily Louise herausgeholt hatte. Seiner Meinung nach hatte Emily auch erst etwas bemerkt, als die Kinder zu brüllen anfingen. Da ihre Mutter (man hatte vergebens versucht, sie zu erreichen) wieder einmal nicht zur Stelle war, hatte sie sich auf den vergoldeten Stuhl neben Melrose fallen lassen; da saß sie und wartete, die Arme über der Brust verschränkt und die Kappe bis über die Augen gezogen.
    «Deine Mutter sollte mal nach dir schauen. Wo ist sie denn?»
    «Im Kino wahrscheinlich.»
    «Warum war sie denn nicht auf dem Fest? Sonst waren doch alle aus dem Dorf da?»
    «Sie mag keine Feste und ist nun mal nicht hier. Wo steckt denn dieser Mann von Scotland Yard? Er muß das doch in die Hand nehmen.»
    Melrose gefiel diese Formulierung. «Er ist in London. Aber er ist bestimmt benachrichtigt worden. Was ist eigentlich passiert?»
    «Woher soll ich das wissen? Ich hörte nur, wie diese ekligen Winterbournes plötzlich anfingen zu brüllen, und hab sofort kehrtgemacht.»
    Er wollte ihr gerade eine weitere Frage stellen, als er sah, wie der Polizist ihm auffordernd zunickte.
     
    Daß Melrose nach Littlebourne gekommen war, um ein Haus zu erwerben, schien Inspektor Carstairs ganz und gar nicht zu befriedigen, da Melrose nicht die geringste Eile bekundet hatte, sich eines der Angebote anzuschauen. Da Mainwaring aber den Besuch Plants in seinem Maklerbüro bestätigt hatte, akzeptierte er die Erklärung mit so viel

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