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Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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gutem Willen, wie er aufbringen konnte. Und das war nicht viel. «Sie sagten, Sie hätten die Tote auf dem Fest beobachtet?»
    Diese Frage hatte er schon ein dutzendmal gehört, in allen möglichen Formulierungen. «Sie war da noch nicht tot, Inspektor.»
    «Keine Scherze, bitte, Mr. Plant. Wir ermitteln hier in einem Mordfall.»
    Genauso drücken sie sich in Büchern aus, dachte Melrose, und seufzte innerlich: Die Wände troffen von Blut, und die Leichen stapelten sich auf dem Boden, worauf unweigerlich jemand den Schauplatz betrat und sagte: «Wir ermitteln hier in einem Mordfall.»
    «Entschuldigung. Aber Sie scheinen anzunehmen, ich hätte diese Frau aus bestimmten Gründen beobachtet.»
    «Und haben Sie das?» zischte Carstairs.
    «Nein. Ich hatte sie noch nie gesehen und fand sie sehr auffällig.»
    «Inwiefern?»
    «Oh, ich weiß nicht … schwarzweiß gekleidet und unheilschwanger.»
    «Wieso unheilschwanger?»
    «Das war, wie gesagt, nur der Eindruck, den ich hatte. Sie bewegte sich inmitten der Leute, schien aber nicht dazuzugehören. Als würde sie das Fest überhaupt nicht interessieren.»
    «Und Sie sahen sie an dem Tisch mit dem Trödel?»
    «Ja.»
    «Wie sie sich mit Mrs. Bodenheim unterhielt?»
    «Unterhalten ist vielleicht nicht die richtige Bezeichnung.» Die gute, alte Sylvia, die im falschen Augenblick im Besitz eines silbernen Lochstechers gewesen war, tat ihm beinahe leid.
    Carstairs musterte ihn lange und gründlich und sagte dann: «Ich danke Ihnen, Mr. Plant. Für den Augenblick genügt das.»
    Melrose erhob sich und wagte eine Frage: «Ist, äh, Superintendent Jury über diese jüngsten Entwicklungen informiert?»
    Carstairs’ Miene war in der Tat sehr finster, und Melrose war überrascht, daß er überhaupt antwortete: «Wir versuchen, ihn zu lokalisieren.» Daraufhin wandte er sich wieder seinen Papieren zu.
     
    Sie versuchen es? fragte sich Melrose, als er den Blick über den Brokat und das Gold schweifen ließ: Der Raum war leer bis auf ein paar Polizisten, die in einer Ecke zusammenstanden und rauchten, und eine dünne Frau mit Haaren wie Zuckerwatte, die stocksteif auf ihrem Stuhl saß. Sie versuchen – konnte ein Superintendent von Scotland Yard sich einfach verflüchtigen? Verdammt, dachte er und ließ sich Stock und Mantel geben. Wenn die Polizei von Hertfordshire nicht in der Lage war, Jury ausfindig zu machen, so würde eben er das übernehmen.

20
    In dem M ü ll , der den Cripps als Wohnzimmer diente, war Jury Lichtjahre entfernt von Gold und Brokat.
    Vor diesem Besuch hatte er gleich nach seiner Ankunft in London zwei weitere erledigt. Und einer davon hatte ihn vor Chief Superintendent Racers Schreibtisch geführt.
    Bei Scotland Yard fragte man sich nicht, ob der Chief Superintendent schlechter Laune war, sondern nur, ob seine Laune schlechter als sonst war. Racer mochte sich vielleicht Gott widersetzen, dem Willen seines obersten Vorgesetzten aber mußte er sich beugen, und der war, wie alle andern, gespannt, wann Racer endgültig abtreten würde.
    Jury war der einzige, der so etwas wie Geduld aufbrachte und ihm zuhörte, jedoch weniger aus Menschenliebe als aus Neugier: Er fragte sich, wie oft Racer noch obenauf schwimmen würde, bevor die Strudel ihn endgültig in die Tiefe zögen. Racer schien anzunehmen, daß sein Rücktritt den Untergang des britischen Empires zur Folge haben würde, war aber auch davon überzeugt, daß es sich mit Hilfe seiner Geniestreiche wieder aus der Asche erheben würde. Die letzten fünf Minuten hatte er darauf verwandt, einen seiner früheren Fälle in sämtlichen Verästelungen zu beschreiben; einen Fall, der nicht das geringste mit dem zu tun hatte, den er gerade bearbeitete.
    Das sagte Jury ihm auch. «Ich sehe nicht, inwiefern das hier von Bedeutung ist, Sir.»
    Racer, der sich erhoben hatte, um das Revers seines Savile-Row-Jacketts zu glätten, setzte sich wieder. Betrübt schüttelte er den Kopf.
    «Kennen Sie den Unterschied zwischen Ihnen und Sherlock Holmes, Jury?» Racer schnappte sich den Plan, den Jury ihm zur Inspektion vorgelegt hatte.
    Jury tat so, als denke er über diese Frage nach, bevor er antwortete: «Ja, doch, es gibt da einige Unterschiede.»
    Racer schüttelte den Kopf. Selbst wenn Jury einer Meinung mit ihm war, ging er davon aus, daß Jury ihm widersprach. Eine Niete bleibt eine Niete, schien der Blick zu besagen, den er Jury zuwarf. «Die Fähigkeit zur Synthese!» Racer griff in die Luft. «Sie verlieren sich in

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