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Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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ihrem Element. Da sie nicht nur für den An- und Verkaufstisch, sondern auch für den Tisch mit dem Trödel zuständig war, flatterte sie wie ein riesiger Aasgeier zwischen beiden hin und her, und das bereitete ihr anscheinend großes Vergnügen.
     
    Der Verkauf von Backwaren oblag Miss Pettigrew, der Besitzerin des Magic Muffin. Stocksteif stand sie hinter ihrem Tisch, die Arme rechts und links von ihren Produkten aufgestützt. Sie sahen aus, als wären sie alle aus demselben Teig. Der Geruch von Muffins lag in der Luft – eine seltsame Kreuzung aus Karotten- und Zimtgeruch.
     
    Das kleine Karussell mit vier Pferden, zwei Schweinen, einem Lamm und einer Gans drehte sich langsam zu einer undefinierbaren Melodie, und die Knirpse, die auf den Tieren mit der abblätternden Farbe saßen, versuchten, sie mit imaginären Peitschen anzutreiben. Nach Emilys Wagen (der sich, wie Melrose feststellte, am äußeren Rand des Geländes entlangbewegte) hatte das Karussell den größten Zulauf. Melrose beobachtete, wie der Falbe, auf den gerade ein Sonnenstrahl fiel, mit dem Wagen im Schlepptau herumtrottete. Zwei kleine Köpfe tauchten daraus auf; offensichtlich wollten die beiden ihren Spielkameraden auf dem Karussell etwas zurufen. Als aber die Kutscherin, die Peitsche in der Hand, sich nach ihnen umwandte, zogen sie sich schnell wieder zurück.
     
     
     
    Derek Bodenheim las gerade die kleinen Plastikringe auf, als Melrose an seinen Stand geschlendert kam. Melrose übersah seine mürrische Miene und sagte strahlend: «Ich will’s mal versuchen. Wieviel?»
    «Drei für fünfundzwanzig.»
    Er gab ihm das Geld und bekam drei Ringe. Alle drei Würfe gingen jedoch daneben, und er ließ sich drei weitere Ringe geben. Erst nachdem Melrose seine zwölfte Flasche verfehlt hatte, wich Dereks mürrischer Blick der vertrauten Überheblichkeit.
    «Anscheinend hab ich kein Talent dafür», sagte Melrose bescheiden. In Wirklichkeit war er ausgezeichnet im Dart- und Hufeisenwerfen – in allem, was ein gutes Augenmaß erforderte. Aber auf diese Weise war es ihm gelungen, Derek etwas gesprächiger zu stimmen.
    «Es ist eigentlich ganz einfach, man braucht nur etwas Koordinationsvermögen», bemerkte Derek mit großem Feingefühl. «Mainwaring hat drei hintereinander geschafft.»
    Melrose drückte sein Erstaunen über Mainwarings Heldentat aus und fragte: «Was ist in den Flaschen?»
    «Wein, Whisky, Haarwasser –»
    Und Strychnin, dachte Melrose und grinste. «Ich bin bei allen Spielen, die Geschicklichkeit erfordern, eine vollkommene Niete. Schach ist was anderes. Das ist schon eher mein Spiel.» Melrose erinnerte sich, daß er als Zehnjähriger zum letztenmal Schach gespielt hatte. «Ein Spiel, das Konzentration erfordert … und etwas Phantasie.» Er blickte zum Nebenstand hinüber und sah Emily ihre kaum erworbenen Pennies verspielen. Auf der andern Seite des Friedhofs graste das Pferd. Eine ihrer Ruhepausen. «Jemand hat mir von einem Spiel erzählt, das zur Zeit sehr populär sein soll, ‹Magier und Kriegsherren› heißt es. Haben Sie das schon mal gespielt?»
    Dereks Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, als er erwiderte: «Ja, in Cambridge. Macht Spaß. Ist aber ziemlich kompliziert. Man braucht viel Phantasie dazu; man spielt es und entwickelt beim Spielen sein Konzept.»
    «Hier gibt’s bestimmt keinen, mit dem Sie das spielen können? Ich würde es ganz gern lernen.» Er hoffte, er würde recht behalten mit der Annahme, daß Derek sich kaum anbieten würde, ihm das neue Spiel beizubringen.
    Er behielt recht. «Der letzte, mit dem ich es hier gespielt habe, war der Sekretär von Kennington. Der Typ, der mit einer viertel Million Schmuck abgehauen ist. Davon haben Sie bestimmt schon gehört?» Melrose nickte. «Tree war wirklich gut darin. Wir haben gewöhnlich im Blue Boy gespielt. Die Sache war natürlich von Anfang an so geplant.»
    «Wie meinen Sie das?»
    «Ich meine, daß er sich nur wegen des Colliers um den Job beworben hat. Es würde mich nicht wundern, wenn sie auch mit von der Partie war.»
    «Welche ‹sie›?»
    «Die hochwohlgeborene, gottverdammte Lady Kennington. Tree war ja auch ein ganz gutaussehender Bursche. Ich hätte ihm zwar nicht über den Weg getraut; er war einfach viel zu gerissen. Irgendwie brachte er es immer fertig, daß ich für seine Drinks bezahlen mußte.»
    Gerissen in der Tat, dachte Melrose. Er zählte den jüngsten Sproß der Bodenheims zu der Sorte von Kneipengängern, die ständig

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