Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
Vom Netzwerk:
einen Weg durch die Menge gebahnt und sah zwei kreidebleiche Gesichter aus dem Wagen auftauchen; ein Kind brüllte wie am Spieß und versuchte mit kraftlosen Händen die Tür zu öffnen. Emily Louise, wie immer Herr der Lage, riß sie auf, und eine ganze Schar von Kindern schien herauszupurzeln, obwohl sich nur die drei offiziell zugelassenen Passagiere im Wagen befanden. Mit Armen und Beinen rudernd, zeigten sie auf den Wagen und flüchteten sich heulend und am ganzen Leib zitternd in die Arme ihrer Mütter.
    Alles deutete darauf hin, daß sich in dem Wagen etwas befinden mußte, etwas nicht Geheures.
    Den weiteren Verlauf der Ereignisse konnte er nicht aus nächster Nähe verfolgen, denn er war an den Rand der Menge gedrängt worden und mußte den Leuten über die Schultern schauen. Peter Gere, dem es gelungen war, sich einen Weg zu bahnen, versuchte, die Leute zurückzudrängen. Melrose konnte einen kurzen Blick in das Innere des Wagens werfen, als Gere die Menschen zur Seite schob: Aus dem Teppich, der aufgerollt auf dem Boden des schwarzen Wagens lag, baumelte ein Arm, weiß und (so nahm er an) kalt wie Marmor. Er sah die Hand mit den rotlackierten Fingernägeln und den Saum eines schwarzweiß gestreiften Ärmels. Welch kurze Bekanntschaft.

19
    Das Fest war verdorben . Angst, Panik und Entsetzen führten dazu, daß Büsche zertrampelt, Grabsteine umgeworfen und Tische umgekippt wurden, daß Hunde davonstoben und Kinder zu brüllen anfingen, weil ihre Eltern sie fortzerrten, sobald die Polizei aus Hertfield eintraf.
    An Polizisten bestand glücklicherweise kein Mangel. Ganze Scharen von Medizinern und Tatortsachverständigen schienen aus dem Wald zu strömen. Nathan Riddley war als erster erschienen und hatte Ramona Wey für mausetot erklärt. Abgesehen von dem dünnen Rinnsal, das an ihrem Arm heruntergelaufen war und sich zu einem schmalen, dunklen Band verkrustet hatte, war kaum Blut zu sehen.
    Melrose konnte in der allgemeinen Verwirrung gerade noch in Erfahrung bringen, daß die Mordwaffe ein kleiner, silberner Gegenstand gewesen war, mit dem man um die Jahrhundertwende Löcher in Stickleinen stanzte.
    Anscheinend hatte er sich auf Sylvias Tisch befunden. Sylvia hatte ihn nämlich selbst gestiftet, und sie bedauerte ihre Freigiebigkeit inzwischen. Der silberne Lochstecher hatte ihr das Fest verdorben.
    Melrose staunte über die Kaltblütigkeit des Mörders, der die Frau einfach erstochen hatte, ohne sich um den Wald voller Polizisten zu kümmern. Der Wagen hatte es ihm ermöglicht, sein Vorhaben unbemerkt durchzuführen – die Tür zu öffnen, die Leiche hineinzuschieben und mit dem Teppich zu bedecken. Das Ganze war während einer der Ruhepausen geschehen.
    «Verdammt kaltblütig», sagte Riddley zu Carstairs, der rasch aus Hertfield an den Tatort gekommen war. «Kaum zu fassen, die Unverschämtheit dieses Kerls.»
    «Oder seine Verzweiflung», hörte Melrose Carstairs antworten.
    Zufrieden beobachtete Melrose, wie das Bodenheimsche Domizil von der Polizei in Beschlag genommen wurde und sich bald als zu klein erwies. Bezirksinspektor Carstairs hatte Rookswood zum Vernehmungsort erklärt, und Miles Bodenheim, der versuchte, die Leute wie eine Herde Schafe auf den öffentlichen Weg zu treiben, war außer sich.
     
    «Einfach unerhört, das», sagte er zu Melrose, als er mit ihm in der Eingangshalle von Rookswood stand. Anscheinend dachte er, der Mord sei nur begangen worden, um ihm das Fest zu verderben. «Sylvia hat eine fürchterliche Migräne, und Julia ist mit den Nerven am Ende. Daß so etwas in unserm Dorf passieren kann – und auch noch zweimal , wohlgemerkt –» (als hätte Melrose den ersten Mord vergessen). «Und jetzt trampeln da einfach Polizisten in unserm Salon herum, und diese ganzen Leute … Ah! Da kommen die beiden Craigies, ich muß sofort mit ihnen sprechen … Ernestine! Augusta!» Er segelte davon.
    Die meisten Besucher des Kirchenfestes waren nur kurz von der Polizei befragt und dann wieder entlassen worden. Eine Handvoll blieb im Salon von Rookswood zurück – die Craigies, Mainwaring, die Bodenheims, Polly Praed und natürlich die Kinder, die den gräßlichen Fund gemacht hatten, sowie ihre Mütter, von denen sich eine lautstark beklagte. «Unerhört ist das», erklärte sie jedem, der es hören wollte; sie war ganz der Meinung von Sir Miles. «Unerhört, sage ich. Neun Jahre ist sie erst, unsere kleine Betty, und wird von der Polizei vernommen!» Klein-Bettys Mutter hievte eine

Weitere Kostenlose Bücher