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Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd

Titel: Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Festungsgraben ist wahrscheinlich grün oder blau oder blaugrün.»
    «Und der Königsweg?»
    «Violett natürlich.» Chamberlen zuckte die Achseln und blickte von Plant zu Jury. «Glauben Sie mir, meine Herren, wenn ich mehr wüßte, würde ich es Ihnen sagen. Aber das ist der Schlüssel. Da bin ich mir ganz sicher.»
    Melrose hob seinen silberbeschlagenen Stock von den Pfundnoten, die Chamberlen flugs einsammelte und erstaunlich großzügig an die Spieler austeilte.
    Die Catchcoach Street wurde nicht so häufig von Adligen und Superintendenten besucht, als daß die Gäste des «Anodyne Necklace» sie so einfach ziehen lassen konnten, besonders nachdem Melrose Plant mehrere Runden ausgegeben hatte. Einen solchen Wohltäter ließ man ungern gehen, und White Ellie, die mehr als alle andern von seiner Großzügigkeit profitiert hatte, fühlte sich zu einer Gegenleistung verpflichtet. «Na, wie wär’s, wollt ihr beide nicht mit zu uns kommen und ein paar aufgewärmte Pfannkuchen futtern?»
     
     
     
    Sie standen unter dem Schild des «Anodyne Necklace» und schauten die Catchcoach Street entlang. In dem blauen Licht der Dämmerung waren die Straßenlampen angegangen, und die schmalen Häuser warfen lange Schatten auf das Pflaster. Ein Stück weiter tobte eine Horde Kinder herum.
    «Farben», sagte Melrose Plant und zündete sich eine dünne Zigarre an. «Was zum Teufel hat das zu bedeuten? Wenn nur Emily mit ihren Buntstiften da wäre … Hat Ihr Telefonanruf etwas erbracht?»
    «Ja. Ich erinnerte mich daran, daß Sylvia Bodenheim Ramona Wey als aufgedonnerte kleine Sekretärin aus London beschrieben hatte. In London gibt es zwar jede Menge aufgedonnerter kleiner Sekretärinnen, aber es ist anzunehmen, daß nur wenige für die Jobvermittlung ‹Smart Girls› in King’s Cross arbeiten oder gearbeitet haben. Ramona war eine davon, wie mir die Geschäftsführerin mitgeteilt hat. Sie kündigte, als eine alte Tante von ihr starb und Ramona nicht mehr zu tippen brauchte – vor gut einem Jahr.»
    «Sie hat also Cora Binns gekannt?»
    «Bestimmt. Aber ich kann verstehen, wenn sie das unter diesen Umständen nicht zugeben wollte. Obwohl sie es besser getan hätte. Aber ich nehme an, sie hatte sich ihren eigenen kleinen Plan zurechtgelegt, Erpressung wahrscheinlich. Das arme, dumme Ding.»
    Einen Augenblick lang schwiegen beide. Auch auf der Straße war es still geworden, eine Stille, die nur von den hellen Stimmen der Kinder unterbrochen wurde. Alle übrigen Anwohner mußten in der Kneipe sein.
    «Sagten Sie, diese Agentur befände sich irgendwo in der Nähe von King’s Cross?»
    Jury nickte. «Warum?»
    «Und wo ist die Underground-Station Wembley Knotts?»
    «Nicht weit. Nur ein paar Minuten von hier.»
    «Was halten Sie davon, wenn wir kurz reinschauen?»
    «Na schön. Ich muß nur bald wieder nach Littlebourne.»
    «Dauert nicht länger als fünf Minuten.» Melrose ließ seine Zigarre in den Rinnstein fallen.
     
    Sie waren bei ihren Autos angelangt. Plants Spazierstock hatte offensichtlich die gewünschte Wirkung gehabt: Der Silver Shadow war unversehrt, keine Menschenhand und keine Cripps-Pfote hatte ihn angetastet.
    Jury indessen seufzte. Quer über seine Windschutzscheibe war mit Seife das Wort RATE geschmiert, gefolgt von der etwas kleiner geschriebenen Aufforderung, von hier abzuhauen.
    Melrose schüttelte den Kopf. «Lernen sie auf der Schule denn keine Orthographie mehr?»
    Als Melrose seinen Rolls vorsichtig die Straße entlangchauffierte, sah Jury, wie die Cripps-Kinder ihr Spiel unterbrachen, zu winken anfingen und ihm auf dem gepflasterten Trottoir nachliefen.
    Auch Friendly winkte, nur nicht mit der Hand.
     
     
     
    Die schwarze Kontrolleurin beugte sich gerade aus ihrer Dienstkabine und legte sich mit einer Familie klein gewachsener Orientalen an. Jury zeigte seinen Ausweis, und sie ließ sie mürrisch passieren.
    In der Ferne fuhr ein Zug ab, und der Wind schob sie wie eine Hand im Rücken den Gang entlang. Von dessem anderen Ende her waren, durch die Wölbung der gekachelten Wände verstärkt, die Klänge einer Gitarre und einer Stimme zu vernehmen, die ein melancholisches Lied von Heimweh und Heimkehr sang; es klang so traurig, als hätte der Sänger bereits jede Hoffnung aufgegeben. Jury hatte das seltsame Gefühl, dies alles schon einmal erlebt zu haben. Sie bogen um die Kurve, und Melrose warf ein paar Münzen in den offenen Gitarrenkasten; der Gitarrist nickte und spielte als Zeichen des Dankes

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