ausgerechnet diese Vokabel vergessen hätte — ich brauche ja nur ein
anzufügen, und schon...»
Der Pathologe bestätigte durch ein schiefes Lächeln, daß er Morse in diesem Punkt recht gab, und leerte sein Glas: «Laß uns noch etwas trinken. Danach können wir meinetwegen zurückfahren und uns noch einmal das Zimmer ansehen.»
«Aber erst, wenn die Leiche abgeholt ist», sagte Morse bestimmt.
«Du hast dich noch immer nicht an den Anblick von Blut gewöhnt, stimmt’s?»
«Ja. Ich hätte nie Polizist werden dürfen.»
«Mich hat Blut fasziniert, seit ich ein Junge war — hat meine Phantasie angeregt.»
«Pervers.»
«Noch mal dasselbe?»
«Ja, warum nicht.»
«Und was regt deine Phantasie an?» fragte der Pathologe im Aufstehen, ihre beiden Gläser in der Hand.
«Dasselbe wollte letzte Woche ein Reporter von der Oxford Times auch wissen. Die Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, wenn man so plötzlich aus heiterem Himmel gefragt wird.»
«Was hast du gesagt?»
«Ich habe gesagt, meine Phantasie werde angeregt durch das Wort .»
«Ich wußte gar nicht, daß du so schlagfertig bist!»
«Bin ich auch nicht. Ich habe bloß aus einem Gedicht von Larkin zitiert, aber das kannst du natürlich nicht wissen — du hast ja für die subtileren Seiten des Lebens kein Gespür.»
Aber seine Worte gingen ins Leere. Der Pathologe stand schon an der Bar und forderte, herrisch mit dem einen Glas auf den Tresen klopfend, bedient zu werden.
Kapitel Zwölf
MITTWOCH, 1 .JANUAR
Schließe den Fensterflügel, zieh die Jalousien herab,
Sperr aus den diebischen Mond.
Thomas Hardy
Gegen 23.30 Uhr war die Leiche, in ein weißes Tuch gehüllt, unter den wachsamen Augen des Pathologen verladen und zur Autopsie ins Old Radcliffe gebracht worden. Lewis war froh, daß sie die Präliminarien, die den eigentlichen Ermittlungen vorausgingen, nun hinter sich hatten. Die beiden Beamten der Spurensicherung waren kurz vor 23.00Uhr mit ihrer Arbeit fertig gewesen, und zehn Minuten später war auch der stoppelhaarige junge Fotograf gegangen. Von den Gästen und Angestellten war niemand mehr auf, und es herrschte eine beinahe gespenstische Stille, als Morse und Lewis den Pathologen gegen Mitternacht zu seinem alten schwarzen Ford brachten und anschließend hinübergingen zur Dependance, um sich ein zweites Mal, diesmal intensiver, im Zimmer Nummer drei umzusehen.
Gleich rechts, wenn man den Raum betrat, befand sich ein Wandschrank aus weißlackiertem Holz. Morse warf einen kurzen Blick hinein und zählte auf der Kleiderstange neun in loser Folge aneinandergereihte Kleiderbügel. Gleich neben dem Wandschrank stand eine dreispiegelige Frisiertoilette, deren Schubladen Morse, wie wir bereits wissen, schon bei seiner ersten Inspektion des Zimmers untersucht hatte . Vor dem rechten Spiegel lag eine Werbebroschüre des Hotels, daneben ein handgeschriebenes Kärtchen: Herzlich willkommen! Dieses Zimmer wurde von mir ganz persönlich für Sie vorbereitet. Wenn Sie noch Wünsche haben, bitte melden Sie sich — Mandy. Zwischen der Frisiertoilette und dem kleinen Farbfernseher in der hinteren Zimmerecke befand sich in etwa einem Meter Höhe ein Sims, auf dem ein Kessel, eine kleine Teekanne sowie zwei Tassen mit Untertassen standen; außerdem ein mehrfach unterteiltes Plastiktablett, dessen schmale Fächer einige Zellophanpäckchen mit Keksen, in Stanniol verpackte Ein-Tassen-Portionen Nescafé, mehrere Tütchen Zucker, Teebeutel und eine Anzahl flacher, runder Behälter mit Eden-Vale-Milch enthielten.
Gegenüber der Tür, an der Schmalseite des Zimmers, befand sich ein niedriger, langgestreckter Heizkörper. Das darüberliegende Fenster bestand aus einer großen Mittelscheibe ohne Griff und rechts und links je einem Flügel, die jetzt beide weit offenstanden, a Die dunkelgrünen Vorhänge waren halb vorgezogen und bauschten sich sanft im frostigen Nachtwind. Fensterrahmen, Fensterbrett und Heizkörper waren von den Männern der Spurensicherung gründlich mit weißem Puder eingestaubt worden, etliche undeutlich verwischte Flecken, als Fingerabdrücke nicht sehr vielversprechend, waren mit schwarzem Filzstift umrandet.
«Ich denke», sagte Morse, während ihm ein Frösteln den Nacken hochkroch, «daß es an der Zeit ist, einen ersten positiven Schritt zu unternehmen. Schließen Sie das Fenster und stellen Sie die Heizung an, Lewis!»
«Haben Sie keine Sorgen wegen der Fingerabdrücke, Sir?»
«Was nützt es, wenn