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Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Titel: Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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erste Berufsverkehr dahinbrauste, und ging dann, nun schon zögernder, immer geradeaus die Straße hinunter in Richtung Banbury Road.
    In Höhe des Hotels Haworth blieb sie auf der anderen Straßenseite stehen. Die nach vorn hinausgehenden Zimmer waren beide dunkel, nur in einem der Zimmer hinten schien irgendwo Licht zu brennen. Es hatte zu nieseln begonnen, und es wehte ein unangenehm kalter Ostwind. Sie stellte sich unter die überdachte Bushaltestelle direkt gegenüber dem Haupteingang des Hotels. Hier war sie vor Regen geschützt und konnte die Dependance im Auge behalten, ohne aufzufallen. Ein Bus rollte heran, und die beiden Frauen neben ihr winkten. Der Bus hielt, und sie stiegen ein. Helen blickte ihnen nach und mußte unwillkürlich lächeln. Sie waren beide Ende Sechzig, beide, wie Helen vermutete, Putzfrauen in der nahe gelegenen Klinik. Doch hier hörte die Gemeinsamkeit auf. Die eine war eine stattliche, beleibte Westinderin, die andere eine kleine, drahtige Engländerin. Und doch schienen sie sich großartig zu verstehen, hatten sich lebhaft wie zwei alte Freundinnen miteinander unterhalten. Bei ihrem Anblick, dachte Helen, konnte man für einen Augenblick fast vergessen, daß das Rassenproblem noch längst nicht gelöst war. Der Bus war mit den beiden Frauen gerade abgefahren, als schon der nächste die Straße heraufkam. Das Licht seiner grellen Scheinwerfer ließ den schmutzigen Schneematsch für einen Moment silbern aufschimmern. Sie trat einen Schritt zurück in den Schatten des Daches, und der Bus fuhr, ohne anzuhalten, weiter. Einen Moment lang hatte sie die Dependance aus den Augen gelassen, und als sie jetzt wieder hinüberblickte, stockte ihr der Atem. Im Zimmer eins, dem Zimmer ganz rechts, hatte jemand Licht gemacht. Die Vorhänge waren beiseite gezogen, und das helle Rechteck des Fensters schien ihr aus der Schwärze des Winterabends förmlich entgegenzuspringen. Sie sah dort einen dunklen Schatten, dann ging das Licht wieder aus. Gleich darauf wurde es im Zimmer daneben, ihrem Zimmer, hell. Wieder hielt ein Bus, die Falttüren öffneten sich, der Fahrer sah sie fragend an. Sie schüttelte den Kopf und lächelte entschuldigend. Der Fahrer verzog verächtlich den Mund und zuckte ärgerlich mit den Schultern, die Bustür schloß sich mit einem schmatzenden Geräusch, und er brauste davon. Im Zimmer zwei brannte noch immer Licht, und sie sah hinter dem Fenster die Silhouette eines Mannes auftauchen. Im nächsten Moment schon wandte er sich ab, das Licht ging aus, kurz darauf trat er aus der Seitentür, ging die Vorderseite der Dependance entlang bis zum Haupteingang und verschwand im Innern des Gebäudes. Die beiden Zimmer zur Straße lagen wieder dunkel und verlassen. Doch der Polizist am Seiteneingang hatte sich noch immer nicht von seinem Posten gerührt. Er hatte die ganze Zeit über dagestanden; im Licht der Laterne, die den Pfad zwischen dem Hotel und der Dependance erleuchtete, war seine Mütze mit dem schwarz-weiß karierten Streifen deutlich zu erkennen.
    Wenn Helen Smith jemand gewesen wäre, der leicht aufgab, so wäre dies der Moment dafür gewesen. Doch der Gedanke kam ihr gar nicht. Das mochte an der Kälte hegen, der Hoffnungslosigkeit und Vergeblichkeit des Ganzen, oder vielleicht auch an dem Bewußtsein, daß sie ohnehin nichts mehr zu verlieren hatte. Sie wußte es wohl selbst nicht, und es interessierte sie auch nicht. Sie spürte in sich eine bisher noch nie gekannte wilde Entschlossenheit, und die schwarz-weiß karierte Mütze des Polizisten wurde ihr in diesem Augenblick zum Inbegriff all dessen, was ihrer Zukunft im Weg stand. Es mußte doch eine Möglichkeit geben, den Mann abzulenken und ungesehen in die Dependance zu gelangen! Und dann war auf einmal alles ganz einfach gewesen. Er hatte plötzlich seinen Platz verlassen und war hinüber zum Seiteneingang des Hotels gegangen, wo ihn eine junge Frau erwartete. Sie hatte ihm eine Tasse gereicht, und die beiden hatten angefangen, sich zu unterhalten. Sie brauchte keinen Mut, um über die Straße zu laufen und in den Seiteneingang zu schlüpfen, es war wie ein Reflex gewesen. Doch jetzt, drinnen, begann sie zu zittern. Sie zog den Schlüssel aus der Tasche, öffnete die Tür zu Zimmer zwei und machte sie gleich leise wieder hinter sich zu. Einen Moment lang blieb sie stehen, dann holte sie tief Luft und tastete sich vorsichtig hinüber zu dem Bett am Fenster. Suchend fuhr sie mit der Hand unter das Kopfkissen, dann unter

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