Inspiration – Du sollst mein sein!
hoch und kam wie versprochen schon kurze Zeit später zurück. Rick rief seiner Tante noch einen kurzen Gruß zu, die gerade aus dem Garten hereinkam. Gewollt scherzhaft erklärte er, dass er ihren Gast entführen würde.
Tante Lucia, seit Jahren durch ihren Neffen mit Polizeiarbeit vertraut, nahm alles unbeeindruckt zur Kenntnis. Sie mahnte ihn nur, gut auf Dr. Corinne aufzupassen. Wenn der Dame etwas geschehen sollte, dann würde sie ihm persönlich das Fell über die Ohren ziehen. Rick gelobte feierlich, alles für Corinnes Sicherheit zu tun und sie mit seinem Leben zu verteidigen. Dann verließ er mit Corinnes Koffer in der einen und ihrem Unterarm in der anderen Hand eilig das Haus.
Als sie schließlich beide im Auto saßen, drehte sich Corinne mit einem breiten Schmunzeln in seine Richtung. »Sie haben einen Höllenrespekt vor ihr, hab ich recht? Sie Riesenkerl haben vor dieser kleinen liebenswerten Frau Gamaschen. Das ist einfach unglaublich. Absolut unglaublich. So langsam schaue ich hinter die professionelle Fassade, die Sie immer zeigen. Bald können Sie sich nicht mehr vor mir verstecken, Rick.«
Rick war sich ziemlich sicher, dass sich Corinne vor Vergnügen auf die Schenkel geklopft und laut losgeprustet hätte, wäre die Lage nicht so ernst gewesen. Beinahe wünschte er sich, dass sie die Situation kurz vergaß und ihrer unterdrückten Heiterkeit freien Lauf ließ.
Liebend gerne würde er sie aus vollem Herzen lachen sehen, und zwar am liebsten jeden Tag von morgens bis abends. Ein Wunschtraum, der wohl auch einer bleiben würde. Dr. Corinne Wheeler, Senatorentochter und erfolgreiche Kinderärztin, nein, das war nichts für einen Cop wie ihn. Solche Frauen ließen sich nur mit ihresgleichen ein.
Nur kurz lächelte er Corinne zu, um ihr zu zeigen, dass er ihr die Neckereien nicht übelnahm. Doch er wurde schnell wieder ernst und dienstlich. »Ich muss Ihnen noch sagen, dass Miss Carlyle heute Nachmittag wieder einen Brief bekommen hat. Wenn der Täter also seinem Muster treu bleibt, dann werden wir auch bald die nächste Leiche finden. Miss Carlyle weiß das. Ihr Nervenkostüm dürfte also nicht das beste sein.«
Auch Corinne hatte ihren kurzen Heiterkeitsausbruch ad acta gelegt. Beinahe war es ihr peinlich, sich so verhalten zu haben, aber Rick Valdez derart verlegen zu erleben war schon ein klein wenig Spott wert. Doch nun sollte sie sich lieber auf ihre Arbeit konzentrieren, denn das konnte sie ohnehin am besten.
»Keine Sorge, Rick. Ich bin zwar eigentlich Kinderärztin, aber ich weiß, was ich tue. Ich werde Miss Carlyle behandeln wie ein rohes Ei. Ich hoffe nur, dass ich ihr irgendwie helfen kann. Nicht nur aus ärztlicher Sicht, eher von Frau zu Frau. Ich glaube fast, das braucht sie im Moment am nötigsten. Hat sie denn keine anderen Freunde, die ihr unter die Arme greifen können?«
Rick konnte nicht sofort antworten, weil er einem unvorsichtigen Fahrer ausweichen musste. Doch nachdem er den Wagen wieder zurück in die Fahrspur gebracht hatte, klärte er Corinne auch noch über die letzten Fakten auf.
»Soweit ich das beurteilen kann, lebt Miss Carlyle sehr zurückgezogen. Sie hat nur zwei enge Vertraute, und die eine ist vor wenigen Tagen ermordet worden. Die drei waren fast wie eine Einheit. Mein Bruder ist seit zwei Wochen ständig in ihrer Nähe und hätte mir erzählt, wenn da noch weitere Bekannte wären, von denen sie selbst nichts berichtet hat, schon weil wir ihren Bekanntenkreis genauestens unter die Lupe nehmen müssen. Doch da ist niemand. Ihre Familie lebt irgendwo im Norden von Kalifornien, also weit weg. Nein, ich glaube, Bellinda kann jede Hilfe gebrauchen, egal, von wem sie kommt.«
Corinne kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe herum. Langsam ließ sie die Informationen, die sie über die junge Frau erhalten hatte, Revue passieren und war mehr als betroffen, wie einsam sich Miss Carlyle fühlen musste. Sie konnte auch sehr gut nachempfinden, dass die junge Frau wahrscheinlich ihren Kummer von ihrer verbliebenen Freundin fernhielt. Wenn die drei wirklich so fest aneinander gehangen hatten, dann war dieses Verhalten durchaus verständlich.
Viele Menschen in einer Ausnahmesituation sprachen zu ihrer Familie und ihren Freunden zuletzt über das, was sie bewegte. Das war wie ein tief verwurzelter Schutzinstinkt – sowohl, was die eigene Person anging, als auch in Bezug auf geliebte Menschen. Manche Dinge waren einfach nicht dafür geeignet, einem Vertrauten preisgegeben
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