Instinkt
hatte Angst. Wie schon gesagt, unsere Affäre war ein Geheimnis. Und meine Befürchtungen erwiesen sich als nur allzu begründet. Der Anrufer eröffnete mir, er habe Filmmaterial von Roisíns Tod, und wenn ich wollte, dass es vernichtet würde, sollte ich ihm fünfzigtausend Pfund zahlen. Er verlangte meine E-Mail-Adresse und sagte, er würde mir einen kleinen Ausschnitt schicken; das tat er auch.« Gore erzitterte sichtlich. »Darauf war alles zu sehen.«
»Haben Sie die Mail aufbewahrt?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, natürlich nicht. Ich habe sie gleich zerstört.«
Tina kam ein Gedanke.
»Aber der Clip zeigte nicht, wie Alpha die Leiche verstümmelte.«
»Ich weiß es nicht. Ich konnte ihn mir nicht bis zum Ende ansehen.«
Tina überlegte, wie überrascht Andrew Kent gewesen sein musste, als er die Aufnahme ansah und entdeckte, dass ein Minister sein beabsichtigtes Opfer erwürgte. Ihn zu erpressen war zwar gefährlich, doch der Versuchung war nur schwer zu widerstehen.
»Damals hatte ich natürlich keine Ahnung, woher die Aufnahmen stammten«, fuhr Gore fort. »Aber fünfzigtausend Pfund ist eine Menge Geld, und mir war klar, wenn ich bezahlte, würde der Erpresser noch mehr verlangen. Deshalb rief ich Paul Wise an. Mir bleib keine andere Wahl. Und wieder war er die Ruhe selbst. Er sagte mir, ich solle die Geldübergabe vorbereiten, und dass er Alpha anweisen würde, den Erpresser ausfindig zu machen. Ich würde mein Geld zurückerhalten, und er würde sicherstellen, dass man mich nie wieder belästigte.«
»Indem er den Erpresser umbringen ließ?«
»Ich weiß nicht. Ich habe nicht gefragt.«
Tina wollte ihn nicht so einfach vom Haken lassen. »Es muss Ihnen doch klar gewesen sein, dass Wise und sein Mann fürs Grobe ihn umbringen würden.«
»Ich hatte furchtbare Angst. Das Ganze hätte mein Leben zerstören können, und wichtiger noch, das Leben meiner Familie. Ich war verzweifelt. Ich wollte diesen Alptraum beenden.«
Er hielt einen Moment inne und schüttelte den Kopf.
»Aber es ist alles schiefgegangen. Der Erpresser hat für die Geldübergabe eine Stelle im Epping Forest bestimmt und es geschafft, davonzukommen, ohne dass Alpha ihn erkannt oder geschnappt hätte. Ein paar Wochen habe ich nichts mehr von ihm gehört und gehofft und gebetet, dass er es gut sein ließe, doch dann rief er mich vor vierzehn Tagen wieder an und forderte noch einmal fünfzigtausend Pfund, sonst würde er die Aufnahmen den Medien zuschicken. Ich fühlte mich gedemütigt und bloßgestellt. Schon die erste Forderung zu erfüllen, war schwer genug gewesen. Denn entgegen der öffentlichen Annahme sind nicht alle Politiker stinkreich. Zum Glück war Mr. Wise bereit, mir aus der Klemme zu helfen und das Geld zur Verfügung zu stellen. Wir verabredeten eine zweite Übergabe, diesmal in Hampstead Heath. Und wieder gelang es dem Erpresser, mit dem Geld zu entkommen, doch diesmal konnte Alpha genug Material sammeln, um ihn zu identifizieren und herauszufinden, wo er wohnte.«
Tina runzelte die Stirn. »An welchem Tag fand die Übergabe statt?«
»Montag vergangener Woche.«
Das war nur wenige Tage, ehe die SoKo Kent identifizierte und von da an vierundzwanzig Stunden am Tag überwachte.
»Alpha hat ihn nie erwischt?«
»Nein, Mr. Wise eröffnete mir, dass der Erpresser der Night Creeper sei. Ich war schockiert. Das hatte ich nicht erwartet. Ich hatte gedacht, es handle sich um einen ehemaligen Freund oder Verehrer, der Roisín nachstellte. Mr. Wise sagte aber auch, der Verdächtige stehe kurz davor, verhaftet zu werden.«
Tina hörte, wie Grier leise durch die Zähne pfiff, als er realisierte, dass Wise jemanden bei der Polizei haben musste, der ihn auf dem Laufenden hielt.
»Und warum wurde Kent entführt?«
»Ich fürchtete, dass er, wenn er einmal in Haft war, etwas sagen und mein Geheimnis aufdecken könnte. Mr. Wise hatte noch versucht, ihn zu eliminieren, während er von der Polizei überwacht wurde, aber das erwies sich als nicht machbar. Zuletzt habe ich gestern Abend mit Wise gesprochen, und da sagte er mir, alles sei unter Kontrolle und es gebe keine Hinweise, die mich mit Roisíns Tod in Verbindung brächten. Alpha hätte einen Notfall-Plan, Kent zum Schweigen zu bringen und die Aufnahme sicherzustellen.«
Er sah Tina an.
»Das ist das Letzte, was ich gehört habe. Ich wollte nicht noch für einen weiteren Tod verantwortlich sein, aber mir blieb ja keine andere Wahl.«
»Man hat immer eine Wahl,
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