Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Instinkt

Instinkt

Titel: Instinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
Vom Netzwerk:
aber der Selbsterhaltungstrieb setzte sich durch. Man tut fast alles, um am Leben zu bleiben. Er jedoch erwiderte nichts, und Haddock drehte meinen Arm noch weiter nach oben, bis ich vor Schmerz fast ohnmächtig wurde.
    Wie durch ein Wunder kugelte er mir weder die Schulter aus, noch rissen irgendwelche Sehnen, während er mich den Rest der Treppe hoch- und einen dunklen Flur entlangmanövrierte. Der Boden unter meinen Füßen knirschte, als wollte er jeden Augenblick durchbrechen.
    »Da rein«, befahl Wolfe und hielt vor einer Tür etwa in der Mitte des Flurs. »Die hat einen Riegel.« Er zog ihn auf, und mit vereinten Kräften stießen sie mich hinein.
    Ich stolperte in die Dunkelheit und blinzelte: Es war ein fensterloser, vollgestellter Lagerraum. Ich ließ mich freiwillig zu Boden sinken, um ihnen zu demonstrieren, dass ich wehrlos war und keine Bedrohung darstellte. Jede Faser meines Körpers schmerzte, ich glaubte, meine Rippen würden jeden Augenblick Lunge oder Herz durchbohren, und meine Nase blutete noch immer von den zwei Hieben, die sie von zwei verschiedenen Waffen abbekommen hatte. Kurz gesagt, ich war ein Wrack. So hatte mich noch nie jemand fertiggemacht wie diese beiden Gangster, die jetzt als düstere Schatten im Türrahmen standen und auf mich herabblickten. Dann flog die Tür zu, und draußen wurde der Riegel vorgeschoben. Gedämpft konnte ich ihre Stimmen vernehmen.
    »Er muss weg, Ty«, flüsterte Haddock so laut, dass ich ihn offenbar hören sollte. »Meine Knarre ist im Arsch. Das musst du erledigen.«
    »Ich brauche aber was, um den Schuss zu dämpfen«, erwiderte Wolfe, nur wenig leiser.
    Dann Schritte, die sich entfernten. Und Stille.
    Schwer zu beschreiben, was ich jetzt fühlte. Es war nicht unbedingt Angst. Dafür war ich zu erschöpft und zu fertig. Es fühlte sich eher wie Resignation an. Das Wissen, dass ich allein und verlassen sterben würde. Ich hatte zwar die besten Motive gehabt, aber letztlich war mein Plan nicht ausgetüftelt genug gewesen, und ich hatte versagt.
    Jetzt war nur noch einer von unserer Familie übrig, und dessen Zeit war praktisch abgelaufen. Die bittere Ironie der Geschichte lautete, dass ich durch die Hände desselben Mannes sterben würde, der meinen Bruder auf dem Gewissen und die Familie Egan zerstört hatte.
    Die Schritte kehrten zurück, und ich holte so tief Luft, dass ich aufstöhnte. Ich wollte nicht als Feigling sterben. Nicht nach all dem, was ich versucht hatte, um Tyrone Wolfe zur Rechenschaft zu ziehen. Vielleicht sahen mir meine Leute ja von da oben zu und ermunterten mich, kämpfend unterzugehen. Ich musste etwas tun, das sie stolz machen würde.
    Ich stellte mir John vor, wie er war, kurz bevor er zur Armee ging. Mit seinem breiten Grinsen. Immer zum Scherzen aufgelegt. Meinen Vater, der ihm voller Stolz auf den Rücken klopfte. Uns drei bei einem letzten Fußballspiel im Garten. John, der mir erlaubte, ihn zu tunneln.
    Himmel, John, ich vermisse dich. Ich vermisse dich so sehr.
    Die Tür ging auf, und als ich Wolfe mit der Sig in der einen und einem schmierigen Kissen in der anderen Hand über mir stehen sah, durchzuckte mich eine Woge der Wut und des Hasses. Hinter ihm zeichnete sich die dämonische Silhouette von Haddock ab. Ich hörte Wolfe atmen, er keuchte fast, und sein ganzer Körper zitterte von dem Adrenalin, das er freisetzte, um sich auf den Mord vorzubereiten.
    Ich spannte alle meine Muskeln an und schob mich in eine Lage, aus der ich ihn anspringen und nach der Pistole greifen konnte.
    Doch es war zu spät. Urplötzlich sprang Wolfe mich an, rammte mir das Knie in den Magen und raubte mir die Luft. Während ich mich noch zu berappeln versuchte, setzte er sich rittlings auf mich, klemmte mir mit den Knien die Arme fest und drückte mir das Kissen ins Gesicht.
    Alles wurde schwarz, und ich spürte nur noch den harten Lauf der Sig an meiner Wange.
    Ich biss die Zähne zusammen und nahm in Erwartung der Kugel, die jeden Augenblick kommen würde, noch einmal alle Kräfte für eine letzte Gegenwehr zusammen. Aber es war umsonst. Er war durchtrainiert, kräftig und Herr der Lage, ich dagegen nur ein geschlagenes, waidwundes Wrack.
    »Na mach schon, Ty, knall ihn ab«, zischte Haddock durch die Dunkelheit.
    Oh Gott, das war das Ende.
    Es war vorbei.
    »Scheiße«, fluchte Wolfe.
    »Was ist?«
    »Die Knarre. Das Scheißding klemmt.«
    »Bist du sicher?«
    »Natürlich bin ich sicher.«
    Und dann ließ der Druck auf das Kissen nach, es

Weitere Kostenlose Bücher