Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Instinkt

Instinkt

Titel: Instinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
Vom Netzwerk:
entgegnete Wolfe, doch etwas in seiner Stimme verriet mir das Gegenteil.
    Da hörte ich, wie Haddock und Tommy die Kellertreppe heraufkamen, und beschloss, dass es an der Zeit war, abzuhauen und Captain Bob zu alarmieren. Wahrscheinlich würden sie nicht in Panik verfallen und mit Kent verschwinden, nur weil ich mich davonmachte, denn schließlich warteten sie alle noch auf ihr Geld.
    »Ich muss mal pissen«, sagte ich und seufzte genervt. Dann drehte ich mich zum Ausgang um.
    »Aber sicher«, sagte Wolfe. Ich war so damit beschäftigt, nach draußen zu gelangen, dass ich gar nicht mitbekam, wie er seine Pistole zog.
    Das merkte ich erst, als er mich mit dem Knauf seiner Sig voll am Hinterkopf erwischte. Ich sah Sterne und nur noch verschwommen, dann knickten meine Beine ein, und ich schlug schmerzhaft auf dem schmierigen Teppichboden auf, weil ich es kaum mehr schaffte, mit den Händen meinen Sturz aufzufangen.
    »Ich denke, wir haben noch was zu Ende zu bringen, stimmt’s, Bürschchen?«, hörte ich ihn von fern sagen.
    Dann vernahm ich im aufziehenden Nebel noch eine zweite Stimme, und da wusste ich, dass ich richtig in der Scheiße saß.
    »Ich will den Skalp von diesem Drecksack«, sagte Clarence Haddock.

NEUNUNDZWANZIG
    In meinem Kopf drehte sich alles, und Blut rann aus der Platzwunde, wo mich der Pistolenknauf getroffen hatte, doch zum Glück war ich geistesgegenwärtig genug, mich eng zusammenzurollen und die Arme schützend um den Kopf zu legen, bevor die Tritte auf mich hereinprasselten.
    Ich konnte nicht erkennen, wer mich trat. Alles, was ich hörte, war der gleichmäßige schwere Atem, als sie mich bearbeiteten, um mir den größtmöglichen Schaden zuzufügen. Ich spürte keinen Schmerz – in einer Schlägerei spürt man nie etwas, nicht einmal in einer so einseitigen und brutalen wie dieser. Das Adrenalin sorgt dafür, dass alle Empfindungen ausgeblendet werden. Ich spürte nur den dumpfen Aufprall ihrer Stiefel auf meinem Körper, der so heftig war, dass ich über den Boden rutschte. Einer von ihnen – ich glaube, Haddock – schien es auf meine Nieren abgesehen zu haben, aber er traf nicht präzise genug, und ich war mir ziemlich sicher, dass ich bislang keine bleibenden Schäden davongetragen hatte.
    Doch das würde erst der Anfang sein. Durch mich hatten sowohl Haddock als auch Wolfe das Gesicht verloren, was einerseits eine Leistung war, da ich die beiden kaum zwölf Stunden kannte, andererseits ziemlich idiotisch, bei ihrer wohlbekannten Neigung zur Gewalttätigkeit. Das Einzige, was im Augenblick zu meinen Gunsten sprach, waren die beiden anderen, die versuchten, Wolfe und Haddock zu besänftigen.
    »Hör auf, Ty, hör auf!«, schrie Lee so schrill, dass beinahe die Fenster geborsten wären. »Was soll das, Ty?«
    Auch Tommy bellte die zwei an, mich in Ruhe zu lassen, und ob sie denn verrückt geworden seien, doch er klang eher hoffnungsvoll als selbstgewiss, und er versuchte auch nicht dazwischenzugehen.
    Das Treten ging weiter. Ungerührt, systematisch, gnadenlos. Schweigend.
    Plötzlich hörten sie auf. Als wäre ihnen langweilig geworden.
    Zumindest dachte ich das, während ich noch regungslos dalag und die Schmerzen sich schlagartig bemerkbar machten. Doch dann hörte ich Haddock etwas fauchen und einen leisen, wütenden Fluch ausstoßen. Im nächsten Moment schrie Lee auf, und als ich meine Augen öffnete, stand Haddock mit gespreizten Beinen über mir und schwang die Remington über seinem Kopf wie einen Baseballschläger. Der Kolben zielte genau auf mein Gesicht. In seinen Augen blitzte für Sekundenbruchteile der nackte Wahnsinn auf, und dann schlug er mit einem Brüllen, das alle Geräusche übertönte, auf mich ein.
    Instinktiv rollte ich mich zur Seite, und der Kolben rutschte von meiner Schulter ab und krachte mit so viel Wucht auf den Boden, dass er zersplitterte. Aus dem Boden stieg eine Staubwolke auf, und Holzstückchen schwirrten durch den Raum. Wenn er wie beabsichtigt meinen Kopf getroffen hätte, wäre ich mit ziemlicher Sicherheit tot. So durchfuhr mich eine Welle der Erleichterung, die noch anhielt, als er mit den Resten der Remington zu einem neuen Schlag ausholte.
    »Ich mach dich kalt, du Schweinehund«, raunte er und schlug mit einem Schritt nach vorne ein zweites Mal zu.
    Doch diesmal rollte ich mich in ihn hinein, und so verfehlte er mich ganz.
    Ich witterte meine Chance und packte eines seiner Beine. Ich hoffte, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen, doch genauso

Weitere Kostenlose Bücher