Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Instinkt

Instinkt

Titel: Instinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
Vom Netzwerk:
wen.«
    »Aber du hast meinen Bruder erschossen.«
    Überrascht blinzelte er mich an. »Was?«
    »Highgate High Street. Donnerstag, der zweite November 1995. Ein Mann hat versucht, dich daran zu hindern, einen Geldtransporter auszurauben. Sein Name war John Egan. Er hatte Brandnarben im Gesicht, weil er im Golfkrieg verwundet worden war. Du hast ihn noch einen Freak genannt, bevor du ihn erschossen hast. Erinnerst du dich?«
    Ich beugte mich zu ihm hinab und sah ihm direkt in die Augen. »Er war mein Bruder.«
    »Der Typ damals?« Er wirkte verwirrt. »Dein Bruder.«
    »Genau. Mein Bruder. Und ich bin nicht so ein mieser kleiner Dieb und Mörder wie du. Ich bin Undercover-Cop. Verstehst du? Ich habe mich in deine Truppe eingeschlichen, um dich zur Strecke zu bringen. Und das habe ich geschafft. Ihr seid alle erledigt.«
    »Oh Gott, du begreifst nicht …« Er schüttelte den Kopf.
    Ich brachte mein Ohr an seinen Mund, wollte seine Ausreden hören. »Was soll das heißen?«
    »Das war ich nicht.«
    »Ich habe es aus verlässlicher Quelle, dass du damit geprahlt hast.«
    »Stimmt. Geprahlt. Mehr aber auch nicht«, flüsterte er und unternahm eine letzte Anstrengung, mir in die Augen zu sehen. »Ich habe deinen Bruder nicht umgebracht, Sean.«
    Ich wich zurück und versuchte, die Neuigkeit zu verdauen. Und da roch ich es. Es kam von unten.
    Benzin.

ACHTUNDDREISSIG
    Im nächsten Moment hörte ich ein mörderisches Grollen, und der ganze Flur schien in Flammen zu stehen. Ich schaffte es gerade noch, mich umzudrehen, als die Hitzewelle über mich hinwegrollte. Flammen züngelten die Treppe herauf.
    Verdammt, wer hatte das Feuer gelegt? Alle, mit denen ich gekommen war, waren tot.
    »Wer hat meinen Bruder umgebracht?«, schrie ich Wolfe an und packte ihn verzweifelt am Kragen seines Overalls.
    Doch er hatte seine Augen geschlossen, und er wurde in meinem Griff schlaff. Wütend und frustriert schüttelte ich ihn noch einmal – zwecklos. Rauchschwaden hüllten mich ein, und ich musste husten.
    Ich wandte mich um und rannte zum Fenster am Ende des Flurs. Es war älter als das, durch das ich vorhin zu entkommen versucht hatte. Es hatte zwar ebenfalls Doppelglasscheiben, aber die hier waren recht dünn. Eine wies bereits einen diagonal verlaufenden Sprung auf, und der Rahmen wirkte schlecht verschraubt und lose. Allerdings gab es auch hier keinen Griff, um es zu öffnen.
    Der Rauch wurde immer dichter, und obwohl ich erschöpft war, schoss mir das Adrenalin der letzten Verzweiflung ins Blut. Ich warf mich mit aller Kraft gegen das Fenster. Der Rahmen knirschte, gab jedoch nicht nach. Ich warf mich erneut dagegen. Und noch einmal, viermal insgesamt.
    Aber außer, dass meine Rippen höllisch brannten, erreichte ich gar nichts. Langsam bekam ich Schwierigkeiten zu atmen. Ich zwang mich, ruhig zu bleiben, ging fünf Schritte zurück und nahm Anlauf. Als meine Schulter auf das Fenster prallte, hörte ich es splittern und bersten. Hustend und das lauter werdende Rauschen der Flammen im Ohr, nahm ich noch einmal fünf Schritte Anlauf. Ich stöhnte auf, weil mir die Hitze den Rücken versengte, schloss schnell die Augen, um das Brennen zu lindern, und sprintete los. Diesmal hechtete ich mit über dem Kopf gekreuzten Armen hinein.
    Das komplette Fenster, Scheibe und Rahmen, löste sich aus dem Mauerwerk und fiel nach draußen. Fast wäre ich ebenfalls hinabgestürzt, doch ich konnte mich gerade noch festhalten. Ich schwang herum und hing schließlich mit den Fingerspitzen an der Hauswand. Die rettende Erde war gut dreieinhalb Meter unter mir, doch das heranbrausende Feuer ließ mir keine andere Wahl, deshalb stieß ich mich mit Hüften und Händen ab, ließ los und landete hart auf dem Rasen, wobei ich mir den Knöchel prellte. Ich fiel nach vorn in die Scherben, schaffte es aber, mich abzurollen.
    Ich war jetzt fast gegenüber dem Schuppen, in dem ich Haddocks Leiche entdeckt hatte. Zehn Meter dahinter standen die ersten Bäume und verhießen Sicherheit und Rettung.
    Ich ignorierte den Schmerz in meinen Knöcheln – Himmel, mein ganzer Körper schmerzte – und lief darauf zu. Kaum hatte ich drei Schritte gemacht, hörte ich das charakteristische doppelte Klicken, mit dem eine Patrone in den Lauf einer Pumpgun geladen wird. Ich wandte mich eine Sekunde lang um und sah kurz einen Mann; sein Gesicht war hinter einer Skimaske verborgen, und er trug den gleichen Overall wie wir. Er zielte mit der Pumpgun auf mich.
    Instinktiv duckte ich

Weitere Kostenlose Bücher