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Instinkt

Instinkt

Titel: Instinkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
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Putzbrocken und stolperte. Ich fiel auf die Knie, doch im Fallen warf ich mich herum, so dass ich sehen konnte, wie er sich mit erhobenem Hammer und einem irren Grinsen in seinem Milchgesicht auf mich stürzte.
    Ich zuckte zwar zurück, konnte aber nicht verhindern, dass er mich auf den Rücken warf und sich rittlings über mich kniete, wobei er mit dem linken Bein meinen rechten Arm am Boden festnagelte. »Jetzt mach ich dich kalt, du Schwein«, zischte er triumphierend, und als er erneut mit dem Hammer ausholte, weiteten sich seine Augen vor sadistischer Lust.
    Doch ich hatte immer noch meine linke Hand frei, erwischte ein faustgroßes Stück Mörtel und knallte es ihm ins Gesicht.
    Er zuckte zurück, und ich konnte erkennen, dass er so viel Staub abbekommen hatte, dass er auf einem Auge blind war.
    Ich nutzte die Gelegenheit, bockte unter ihm auf und warf ihn halb ab. Dann rutschte ich über den Boden und versuchte, die Pistole zu erwischen. Gerade als ich sie am Lauf zu fassen bekam, holte er wieder mit dem Hammer aus.
    Ohne nachzudenken schwang ich die Pistole und knallte ihm den Kolben mit lautem Krachen an den Kiefer. Im selben Moment streifte mich sein Hammer am Kinn und schürfte mir die Haut auf.
    Dann brüllte Kent schmerzerfüllt und fiel nach hinten. »Du Schwein«, heulte er kaum vernehmlich, weil er die Worte kaum mehr zwischen seinen gequetschten Lippen hervorbrachte.
    Doch als ich aufstand und die Pistole auf ihn richtete, drehte er sich um, bis er auf Händen und Knien vor mir lag. Der irre Blick verschwand aus seinem Gesicht, an seine Stelle trat die fast engelhaft wirkende Miene verletzter Unschuld. »Bitte tu mir nicht weh«, wimmerte er. »Bitte nicht kaltblütig abknallen. Bitte, ich brauche Hilfe. Ich musste es immer wieder tun, ich war dagegen machtlos.«
    Ich war Polizist. Könnte ich einen Mann kaltblütig erschießen? Könnte ich danach noch in den Spiegel schauen? Könnte ich überhaupt damit leben? Diese Gedanken schossen mir durch den Kopf, während ich auf ihn hinunterblickte und die Sig mit beiden Händen umklammert auf ihn richtete.
    Es entstand ein langes Schweigen. Er sah mich flehend an. Ich starrte zurück. Meine Gedanken rasten, ich überlegte fieberhaft.
    Und dann sprang er mich an wie ein verwundetes Tier, riss den Hammer hoch, und ich drückte ab. Drückte immer wieder ab, bis das Magazin leer war und er in seinem taumelnden Todestanz eine letzte Pirouette drehte und zu Boden sank. Andrew Kent, der Night Creeper, lag tot zu meinen Füßen.
    Ich fühlte keinerlei Befriedigung, sondern nur die grenzenlose Erleichterung, dass es vorbei war. Kraftlos ließ ich die Waffe zu Boden poltern.
    Es gab nichts mehr zu tun. Deshalb ging ich zur Treppe und stieg sie ein drittes Mal nach oben.
    Tyrone Wolfe lag immer noch so auf dem Rücken, wie ich ihn zuletzt gesehen hatte. Unter ihm, dort, wo das Messer aus ihm herausragte, hatte sich eine große Blutlache gebildet. Sein Gesicht war blass und leuchtete in der Dunkelheit. Doch er hatte die Augen geöffnet und atmete noch.
    »Lee. Hilf ihr, Sean. Bitte.«
    Ich zwang mich, das Zimmer zu betreten, in dem Kent sie erwischt hatte, und merkte gleich, dass sie nicht mehr atmete. Als ich ihr zerschlagenes, zerschmettertes Gesicht sah, stockte mir der Atem. Nur ein vollkommen Wahnsinniger konnte eine wehrlose Frau so zurichten. Der Night Creeper musste alles Menschliche hinter sich gelassen haben. Ich stand in diesem dreckigen Zimmer, der Gestank von Blut und Tod stieg mir in die Nase, und ich spürte immer noch keine Befriedigung über Kents Tod. Ich fühlte mich nur taub und stumpf, und obwohl ich wusste, dass es sinnlos war, bückte ich mich und tastete nach Lees Puls. Fast war ich erleichtert, dass es keinen mehr gab.
    Als ich wieder hinausging, hob Wolfe unter gewaltiger Anstrengung den Kopf und fragte mich, ob sie okay sei.
    »Es tut mir leid«, sagte ich und meinte es aufrichtig. »Sie ist tot.«
    Sein Gesicht erstarrte zu einer Maske bodenloser Verzweiflung, und wieder und wieder flüsterte er ihren Namen, als könne er damit die schrecklichen Ereignisse dieser Nacht ungeschehen machen und sie zurück ins Leben holen.
    Dann begann sein Körper unkontrolliert zu zittern. »Mir ist so kalt«, stieß er hervor. »Ich glaube, ich sterbe.«
    Mir blieb nicht mehr viel Zeit, ihm das zu sagen, was ich ihm sagen musste.
    »Warum hast du mich vorhin nicht erschossen?«
    »Weil ich so was nicht tue, ich kann niemanden kaltblütig abknallen. Egal

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