Instinkt
in einem geräumigen Eckreihenhaus, das vielleicht drei, vier Meilen von meiner Wohnung in Hendon entfernt lag. Schon vor einigen fahren war seine Frau Marion, ein nervöses Energiebündel, unerwartet an einem Herzinfarkt gestorben, und sein Sohn Billy studierte inzwischen an einer Universität irgendwo außerhalb. Dadurch vereinfachte sich mein Vorhaben, denn ich wollte nicht, dass irgendwer mithörte, was ich MacLeod zu erzählen hatte.
In den vergangenen Jahren hatte ich eher wenig mit Dougie zu tun gehabt, und letztlich war unser Verhältnis schon nach meiner Attacke auf Jason Slade und das anschließend auf mich ausgesetzte Kopfgeld nicht mehr das alte gewesen. Aber seit ich meine Familie verloren hatte und allein dastand, war er der einzige Mensch, dem ich vorbehaltlos vertraute. Er war stets ein integrer Vorgesetzter gewesen, der sich für seine Leute in die Bresche warf, und obwohl es Jahre zurücklag, dass ich für ihn gearbeitet hatte, war ich überzeugt, dass ich mich auf ihn verlassen konnte und er mir sagen würde, was ich tun sollte.
Meine Karriere war vorbei, so viel hatte ich mittlerweile begriffen. Selbst wenn ich auf kurze Sicht mit meiner Geschichte durchkam, würde ich in Zukunft immer ängstlich über die Schulter schauen und fürchten, dass jemand die Wahrheit herausfand. Und schlimmer noch, ich wusste, ich hatte einfach nicht mehr die Nerven für weitere Undercover-Aktionen. In den letzten vierundzwanzig Stunden war ich viermal nur knapp dem Tod entronnen, und der Schock fraß mich noch immer innerlich auf. Ich brauchte dringend Urlaub. Und zwar lange. Sechs Monate, ein Jahr, weit weg von der Gewalt der Großstadt. Trotzdem war mir das gelungen, was ich mir in all den Jahren, seit ich undercover arbeitete, vorgenommen hatte: Tyrone Wolfe und Clarence Haddock waren zur Strecke gebracht, und das Wissen, dass sie endlich den Preis für ihre Jahre zurückliegende Tat bezahlt hatten, verschaffte mir eine bittere Befriedigung. Wolfes Beteuerung, nicht er sei es gewesen, der meinen Bruder erschossen habe, hatte mich allerdings verwirrt, denn immerhin hatte ich aus verlässlicher Quelle gehört, er habe sich damit gebrüstet. Gut, den Überfall hatten drei bewaffnete Gangster verübt, Wolfe, Haddock und Tommy, doch nun waren alle drei tot, und selbst wenn sie die wahre Identität des Schützen mit ins Grab genommen hatten, konnten mein Bruder und meine Eltern endlich in Frieden ruhen.
Ich nahm meinen eigenen Wagen, um zu Dougie zu gelangen. Als ich an seinem Haus vorbeifuhr, sah ich, dass im Erdgeschoss Licht brannte, was mich nicht wirklich überraschte. Dougie stand immer früh auf, und obwohl es erst sechs Uhr am Samstagmorgen war, dürfte er bereits alle Hände voll mit der Fahndung nach Andrew Kent zu tun und sich deshalb nicht besonders viel Schlaf gegönnt haben.
Fünfzig Meter von seinem Haus entfernt fand ich einen Parkplatz und näherte mich dann mit einem nervösen Flattern im Magen seiner Tür.
Ich holte so tief Luft, dass ich dabei ächzte, und drückte auf die Klingel. Immerhin sah ich nicht mehr aus wie ein Zombie.
Niemand antwortete, doch da sein Wagen in der Einfahrt stand, klingelte ich noch einmal und klopfte laut an die Tür. Wieder nichts. Vielleicht war er ja auch kurz zu Fuß irgendwohin und würde gleich zurück sein, aber ich wollte keine Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Deshalb schaute ich mich gründlich um, und als nach einer Minute klar war, dass sich niemand melden würde, kletterte ich schnell über den hölzernen Zaun, der den hinteren Teil des Anwesens vom Vorgarten trennte.
Leise schlich ich ums Haus bis zum Wintergarten, wo mir plötzlich etwas auffiel: Im oberen Stockwerk war ein Licht ausgegangen. Also befand sich doch jemand hier.
Ich drückte die Klinke der Tür zum Wintergarten. Sie war nicht verschlossen. Ich ging hinein und wollte schon nach Dougie rufen, als mich ein mulmiges Gefühl überkam. Vielleicht war es nur die durch meine kürzlichen Erlebnisse ausgelöste Paranoia, aber mein Instinkt sagte mir, vorsichtig zu sein. Ich schlich durch den Wintergarten in die Küche und stellte beunruhigt fest, dass ich mich daran gewöhnt hatte, dort herumzuschnüffeln, wo ich nichts verloren hatte. Mehr und mehr fühlte ich mich selbst wie ein Flüchtiger.
Von der Küche aus kam man in einen schmalen Flur, von dem links die Treppe und rechts ein weiteres Zimmer abgingen. Obwohl oben jemand das Licht ausgemacht haben musste, konnte ich nichts hören, was mich
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