Intelligenzquotient 10000
Jedesmal schrumpfte die Frau sichtlich, wie von einer zehrenden Krankheit befallen. Schließlich ließ ein Lichtblitz sie jegliche Erinnerung an diese Erniedrigung vergessen. Als sie sie verließen, war das zusammengeschrumpfte Wesen auf dem Bett noch am Leben.
Als nächstes führte der somnambule Hanardy sie zu einem Mann. Dieses Mal teilte Rilke die Küsse aus und nahm das blaue Feuer in sich auf. Alle dreizehn von Hanardys Freunden behandelten sie auf dieselbe Weise. Und dann beschlossen sie, Hanardy zu töten.
»Wenn wir ihn mit Ihnen, der Frau, die er auf seine seltsame Weise anbetet, hier in seinem Heimathafen – dem einzigen Zuhause, das er kennt – in die Luft jagen, wird er damit beschäftigt sein, die zu beschützen, die er liebt. Und während dieser Zeit werden wir uns im freien Raum in Sicherheit bringen können. Bis er ganz erwacht, wird es zu spät für ihn sein, noch etwas gegen uns zu unternehmen«, erklärte Sween dem Mädchen grinsend.
Als sie die Worte vernahm, verstärkte sich in ihr die Überzeugung, daß sie nichts mehr zu verlieren hatte. Sie schritten gerade die Metallplanke zur Luftschleuse von Hanardys Frachter hinauf. Hanardy wandelte noch immer im Schlaf unmittelbar vor ihr. Ihr folgte Rilke. Sween war der letzte. Als sie die Schleuse fast erreicht hatte, nahm Pat ihren ganzen Mut zusammen.
»Es scheint mir verfehlt …«, begann sie laut. Sie sprang vor und stieß Hanardy über die Planke. Wie sie erwartet hatte, reagierten die Dreeghs sofort. Hanardy war kaum einen Bruchteil der sechzehn Meter gefallen, als die beiden bereits in seiner Höhe der Rampe standen und ihn mit unwahrscheinlicher Geschwindigkeit zurückzogen.
Während sie Hanardy mit aller Gewalt anstieß, wurde sie durch ihre Anstrengung automatisch über die andere Seite der Planke gedrängt. Als sie fiel, führte sie in Gedanken den begonnenen Satz zu Ende: Es scheint mir verfehlt, diese Narrenliebe nicht bis zum Äußersten auf die Probe zu stellen.
Spaceport auf Europa, wie ähnliche Ansiedlungen im Sonnensystem, glich durchaus nicht einer normalen Kleinstadt von viertausend Einwohnern. Wenn es überhaupt irgend etwas ähnelte, dann noch am ehesten einer der alten Tankstationen im Südpazifik mit den militärischen Einrichtungen und der Besatzung. Nur, daß die »Besatzung« aus technischen Experten bestand, die für den vielfältigen Service und die Reparatur der Raumschiffe zuständig waren. Außerdem diente Spaceport als Umschlaghafen für Erze aller Art, die von kleinen Frachtern gebracht, hier aussortiert und zur Erde transportiert wurden. Es gab eine weitere Ähnlichkeit mit den Militärstationen im Südpazifik. Genau wie auf den kleinen Inselhäfen im Stillen Ozean, wo sich das menschliche Treibgut ansammelte, fanden sich auch hier immer mehr Angehörige der Bruderschaft der Raumvagabunden ein. Diese Bruderschaft bestand aus einer ungefähr gleichen Anzahl von Männern und Frauen. Nur die Größe der einzelnen Gruppen variierte. Die in Spaceport bestand zur Zeit aus dreizehn Personen. Sie waren nicht gerade ehrbare Leute, aber auch keine Kriminellen. Das wäre unmöglich, denn im All wurde jeder, der eines Verbrechens überführt wurde, sofort zur Erde abgeschoben, die er nicht mehr verlassen durfte. Allerdings waren die zuständigen Behörden auf den bewohnten Welten im All sehr großzügig, wenn es um die Auslegung ging, was nun als Vergehen anzusehen war. Trunkenheit jedenfalls und Drogensucht zählten nicht dazu. Ausübung von Sex, ob nun käuflich oder nicht, fiel ebenfalls nicht unter Gesetzesübertretung.
Natürlich gab es einen Grund für diese Toleranz. Die Mehrheit dieser Männer und Frauen war technisch ausgebildet. Zu Vagabunden waren sie nur geworden, weil sie kein Sitzfleisch hatten, keine Lust, einer ständigen Arbeit nachzugehen. Aber zu Zeiten großer Dringlichkeit suchten die Personalchefs der bedrängten Firmen häufig nach fähiger Aushilfe in den Hafenbars, manchmal nach einzelnen, manchmal nach einer ganzen Gruppe. Und die Angeheuerten verdienten dann ein oder zwei Wochen lang recht ordentlich.
Ein verzweifelt nach technischem Hilfspersonal suchender Firmenbeauftragter, der gerade diese dreizehn Personen benötigte, fand sie alle – sowohl die vier Frauen, als auch die neun Männer – krank in ihren Pensionszimmern.
Natürlich verständigte er die Behörden. Nach einer gründlichen ärztlichen Untersuchung stellte sich heraus, daß sie sich alle in einem anomalen
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