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Internat auf Probe

Internat auf Probe

Titel: Internat auf Probe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Hoßfeld
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hasst wie die Pest und am liebsten nur in alten Jeans und T-Shirts rumläuft!
    Carlotta schiebt den Fotoapparat und die angebrochene Gummibärchentüte in ihren Rucksack. Die beiden heruntergefallenen Bärchen lässt sie liegen. Zum Glück hat Jonas sie nicht gesehen. Bestimmt hätte er rumgemeckert – von wegen sauteure Boote und so. Kichernd dreht Carlotta sich um und läuft zum Schloss zurück.
    Die Rückseite des Schlosses ist bei Weitem nicht so imposant wie die herausgeputzte Vorderseite, stellt sie beim genaueren Hinsehen fest. An manchen Stellen blättert der Putz ab, und in einer der langen Regenrinnen ist ein Riss, aus dem es in ein verwildertes Rosenbeet tropft. Trotzdem sieht es auch von hinten nicht aus wie ein schreckliches Gefängnis, sondern vielmehr sehr freundlich und einladend.
    Als Carlotta um eine Ecke biegt, sieht sie ihren Vater mit drei fremden Männern auf dem Parkplatz stehen. Er winkt ihr zu, als er sie sieht.
    Sie winkt zurück und wartet, bis Papa sich von den anderen verabschiedet hat. Dann läuft sie zu ihm.
    „Na?“, sagt er und mustert sie aufmerksam, während er den obersten Hemdknopf öffnet, die ungewohnte Krawatte lockert und den Wagen aufschließt.
    „Selber na“, gibt Carlotta zurück.
    Papa lacht. „Los, komm! Wir gehen irgendwo was essen. Dabei kannst du mir erzählen, wie es dir gefallen hat.“
    „Gibt’s hier in der Nähe zufällig eine Pizzeria?“, fragt Carlotta.
    „Bestimmt.“ Papa zwinkert ihr zu. „Wir werden schon eine finden.“
    „Ich glaub, hier könnt’s mir gefallen“, erzählt Carlotta ihm auf dem Weg zur Pizzeria. „Ruhiger als bei Mama in der Stadt ist es auf jeden Fall. Und Mama hätte doch sowieso kaum Zeit für mich. Außerdem ist es ja auch nur für ein Jahr. Das werd ich wohl überleben.“
    Papa freut sich. „Aber sicher“, erwidert er. „Du wirst sehen, es wird dir gefallen. Für die Fünftklässler gibt es sowieso eine zweiwöchige Probezeit. Wenn es gar nicht geht, kannst du also immer noch zu Mama.“
    Probezeit? Das klingt gut. Carlotta wirft einen Blick zurück. Ganz langsam verschwindet das Schloss hinter den Bäumen. Zwischen dem dichten Grün blitzt der See auf.
    Bis bald, Schloss Trostlos, denkt sie. Wir sehen uns!

„… und deshalb im Namen aller Schüler und Lehrer: Herzlich willkommen auf Schloss Prinzensee!“, beendet Dr. Titus Brönne seine Ansprache. „Für euch beginnt heute nicht nur ein neues Schuljahr, sondern auch ein ganz neuer, spannender Lebensabschnitt!“
    Freundlicher Applaus brandet auf. Carlotta zuckt zusammen. Sie hat der Begrüßungsrede des Internatsleiters gar nicht richtig zugehört. Als der Unterstufenchor auf der Bühne ein festliches Lied anstimmt und Dr. Brönne seinen Platz in der ersten Reihe eingenommen hat, wandert ihr Blick durch die riesige Aula. Sie ist bis auf den letzten Platz mit Eltern und Schülern besetzt, die mehr oder weniger aufmerksam der Bach-Kantate lauschen und sich genauso neugierig umschauen wie Carlotta. Zusammen mit den anderen neuen Fünftklässlern sitzt sie in der ersten Reihe. Die Eltern und Verwandten haben weiter hinten Platz genommen.
    Carlotta schluckt. Von ihren Eltern ist nur Mama da. Sie hat die Zwillinge zu Hause bei dem Nilpferd gelassen und ist mit Carlotta allein nach Prinzensee gefahren. Papa ist schon in aller Frühe zu seiner großen Reise aufgebrochen. Beladen mit Sack und Pack, unzähligen Kisten, Koffern, Kameras und anderen Aufnahmegeräten, ist er vor Stunden in einen Wagen des Fernsehsenders geklettert und davongebraust. Vorher hat er Carlotta ganz fest in den Arm genommen.
    „Pass auf dich auf, Carlotta“, hat er gebrummt. „Sei ein mutiges Mädchen.“
    Carlotta konnte nur nicken, weil sie so doll heulen musste, dass sie nicht sprechen konnte. Und dann war Papa weg. Und Mama hat Frühstück gemacht und wenig später zum Aufbruch gedrängt.
    Carlotta seufzt noch einmal. Nicht mal von Katie hat sie sich richtig verabschieden können!
    Überhaupt ging alles irgendwie viel zu schnell, denkt sie. Kaum hatte sie sich entschieden, aufs Internat zu gehen, waren die Ferien – wusch! – auch schon vorbei. Hat vielleicht irgendjemand auf einen Zeitbeschleunigungsknopf gedrückt?
    Falls ja, könnte man gleich noch mal draufdrücken, denkt sie und kichert leise. Dann wäre das Jahr in null Komma nix rum und sie und Papa wären wieder zu Hause. Und alles wäre in Butter.
    Das Mädchen neben ihr wirft ihr einen neugierigen Blick zu. Es ist ziemlich dünn

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