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Internet – Segen oder Fluch

Internet – Segen oder Fluch

Titel: Internet – Segen oder Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Sascha Lobo
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würde. Die ersten Patente auf Transistoren wurden 1925 angemeldet, aber es dauerte noch fast fünfzig Jahre, bis der Transistor seine weltverändernde Wirkung in Radios, Taschenrechnern und Computern entfaltete. Das Neue ist bereits da. Wir sehen es nur noch nicht.
     
    «Ist so, bleibt so»
    «Nach allem glaube ich nicht, dass das Internet gedruckte belletristische Literatur verdrängen wird. Wer mag schon einen PC mit ins Bett, in den Garten, an den Strand nehmen?», fragte die Autorin Ingrid Noll 1999 im
Spiegel Spezial
-Heft «Die Zukunft des Lesens». Aber Technik kann sich ändern, und auch die Gewohnheiten der Menschen bleiben nicht dieselben. Nicht nur kleine, technikbegeisterte Minderheiten sind bereit, ihr Verhalten innerhalb weniger Jahre umzustellen, wie die Ausbreitung von Mobiltelefon, E-Mail und Online-Reisebuchung zeigt.
    Karl Poppers Falsifizierbarkeitsthese besagt, dass eine wissenschaftliche Aussage niemals bewiesen, aber, wenn sie falsch ist, widerlegt werden kann. Daraus lässt sich der Ratschlag ableiten: Wenn man schon Vorhersagen aussprechen will, prophezeit man besser das Eintreten eines Ereignisses, zum Beispiel des Weltuntergangs. Streng genommen hat man nach Popper zwar verloren, wenn der Weltuntergang zum angekündigten Datum nicht eintritt, aber in der Praxis kann man immer behaupten, es dauere eben etwas länger als gedacht. Macht man den Fehler, vorherzusagen, dass eine bestimmte Veränderung
nicht
eintreten wird, ist man unter Umständen unangenehm schnell und gründlich widerlegt. [5] Vor allem, wenn es sich um den Weltuntergang handelt.

[zur Inhaltsübersicht]
    4. More forwards please
    Was ist das eigentlich, der Fortschritt?
    Fortschritt in eine Richtung kommt nicht ohne Aufhebung der Möglichkeit zum Fortschritt in andere Richtung zustande.
    Paul Feyerabend, Erkenntnis für freie Menschen
    In einem Honda-Imagespot von 2006 sieht man den Roboter
Asimo
die technischen Errungenschaften vergangener Epochen bestaunen: eine Schiffsschraube, große Zahnräder, ein Teleskop, einen Computerbildschirm mit Webcam, einen Astronautenanzug, Flugzeuge. Am Ende des Clips wird dem Zuschauer die Kernaussage dann noch als Merksatz mitgeteilt: «Technology – making better better. Onwards, upwards, any way but backwards. Tapping progress on the shoulder and saying: ‹more forwards, please!›» Das ist die Kinderbuchversion der Fortschrittsidee: große Zahnräder führen dazu, dass es vorangeht und das Bessere noch besser wird. In Wirklichkeit ist die Sache ein bisschen komplizierter.
    Zwar lässt sich der Fortschritt nicht lange auf die Schulter tippen. Er hat allein in den letzten zweihundert Jahren unter anderem Schreibmaschinen hervorgebracht, Glühbirnen, mit Strom fahrende Züge, Telefone, Kameras, MP 3 -Player, Registrierkassen, Computer, Impfstoffe, Taschenrechner, Waschmaschinen, Flugzeuge, Klimaanlagen, Mikrowellen, Kreditkarten, Kopierer, CAD -/ CAM -Maschinen, Laserdrucker, Satelliten, GPS , Segways, Antibiotika, Airbags, Herzschrittmacher, Sicherheitsglas, künstliche Gelenke, Kontaktlinsen, schusssichere Westen, das Internet, und vielleicht am wichtigsten von allem: die Anästhesie beim Zahnarzt. Die Lebenserwartung hat sich in den letzten zweihundert Jahren weltweit fast verdoppelt, die Zahl der in Deutschland pro Kopf geleisteten Arbeitsstunden seit 1900 halbiert, die Zahl der demokratischen Länder stieg im selben Zeitraum von sechs auf über hundertdreißig. Nassrasierer haben viel mehr Klingen als noch vor zehn Jahren und Spülmaschinentabs eine separate Phase für jeden einzelnen Teller. Wer könnte also am Fortschritt zweifeln?
     
    Wenn man genauer hinsieht, gar nicht so wenige. Sie weisen darauf hin, dass es in letzter Zeit zwei Welt- und ein paar hundert weitere Kriege gab, außerdem Genozide und Giftgasunfälle, Hiroshima, Tschernobyl und Fukushima. Täglich sterben mehrere Tierarten aus. Zwischen sechzig und siebzig Millionen Landminen liegen in rund siebzig Ländern herum. Der Anteil der Hungernden an der Weltbevölkerung geht zwar zurück, ihre absolute Zahl aber steigt. Das Coltan in Handys und Computern stammt unter anderem aus der Demokratischen Republik Kongo, wo es unter ungesunden und umweltzerstörenden Umständen abgebaut wird und den dortigen Bürgerkrieg finanzieren hilft, der seit den neunziger Jahren über fünf Millionen Opfer gefordert hat. Rund eine Milliarde Menschen leben in Slums, Tendenz steigend. Überweidung, Übernutzung und Abholzung führen zu

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