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Interview mit dem Tod - Domian, J: Interview mit dem Tod

Interview mit dem Tod - Domian, J: Interview mit dem Tod

Titel: Interview mit dem Tod - Domian, J: Interview mit dem Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Domian
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keine Wertung. Es gibt auch keine gute oder böse Natur. In der duftenden Frühlingswiese vollzieht sich das Sein ebenso wie in einem Tsunami. Alles ist richtig.
    Kurze Gesprächspause
    Heißt das etwa, auch in einem Atomkrieg vollzieht sich das Sein? Genauso wie in der Barmherzigkeit eines fürsorglichen Menschen?
    Ja.
    Das kann ich nicht glauben. Das ist ja schrecklich.
    Lange Gesprächspause

    Was heißt überhaupt »Sein«? Reden wir von der absoluten Wirklichkeit, also von Gott?
    Ja.
    Das verstehe ich nicht. Vielleicht will ich es auch nicht verstehen. Ich weigere mich. Ich finde es grausam.
    Meine Stimme wurde lauter und mein Puls beschleunigte sich.
    Weil du immer und immer wieder mit dem Verstand an die Fragen herangehst. Verlasse deinen Verstand!
    Gesprächspause
    Gut und Böse sind natürlich wichtige Kategorien für das menschliche Zusammenleben. Darüber hinaus aber spielen sie keine Rolle.
    Gesprächspause
    Ich tue mich so schwer mit dem, was du sagst. Was ist denn das Böse in einem Menschen? Wie kann man es erklären?

    Es ist Mangel an Erkenntnis. Je mehr der Mensch seine Ratio und sein Ich überwindet, je tiefer er eintaucht in die Stille seines Herzens, desto mehr entfernt er sich von all dem, was böse und schlecht zu nennen ist. Ein Wissender, ein Weiser hat das Böse hinter sich gelassen.
    Dann will ich noch einmal zusammenfassen. Das, was wir das Böse nennen, ist also von der absoluten Wirklichkeit nicht zu trennen, es existiert nicht eigenständig?
    Ja, so ist es.
    Darf ich als Mensch denn werten? Oder ist letztendlich alles entschuldbar, weil alles eben ist, wie es ist?
    Du darfst nicht nur werten, du musst es sogar. Fange damit aber bei dir selbst an. Erkenne zunächst das Böse in dir selbst.
    Und wenn ich es erkannt habe?
    Dann siehst du den Schaden, den das Böse allein schon in dir anrichtet. Du erkennst es als Verblendung und du wirst dich davon abkehren.
    Das heißt, ich werde, wenn mir Böses angetan wird, selbst nicht mit Bösem darauf reagieren?
    Ja, denn es würde nur Zerstörung mit sich bringen.
    Gesprächspause
    Ich möchte auf den Alltag der Menschen zurückkommen, in den du ja beständig eingreifst. Wie ist es für dich, wenn du gezwungen wirst, dein Handwerk zu tun, ohne dass du dich dazu entschieden hast?
    Du meinst, wenn ein Mensch von einem Menschen ermordet wird?
    Ja, zum Beispiel.
    Ich entscheide immer, wann ein Leben zu Ende geht.
    Der Mensch hat keine Macht über den Tod.
    Der Mörder aber begeht ein großes Unrecht, da er ein fremdes Leben auslöscht.
    Und wenn ich jemanden aus Mitgefühl, aus Barmherzigkeit, aus Liebe töte?

    Es ist der größte Liebesbeweis, den es gibt. Wäre ich nicht der Tod, so wäre ich in solchen Fällen gerührt.
    Ja, aber du hast ja keine Gefühle.
    So ist es.
    Kannst du eigentlich die große Angst der Menschen vor dir verstehen?
    Natürlich. Es sind im Laufe der Menschheitsgeschichte zu viele Gerüchte und Phantastereien über mich entstanden. Wobei ich in den Eindruck habe, dass gegenwärtig die Menschen mehr Angst vor dem Sterben als vor mir persönlich haben.
    Das mag wohl sein. Warum machst du es manchen Menschen so schwer, bis sie dann endlich in deine Arme sinken können?
    Oh, was für ein poetisches Bild. So poetisch ist der Vorgang gar nicht.
    Also, warum müssen Menschen oft so sehr leiden?

    Es ist weder eine Strafe noch eine Prüfung. Das Sterben, auch das leidvolle Sterben, ist Teil eines für Menschen nie zu begreifenden komplexen Zusammenhangs, der weit über eure Welt hinausgeht.
    Muss man Leid ertragen?
    Nein. Entscheidet der Mensch, sein Leid selbst zu beenden, so soll es sein Weg sein.
    Kurze Gesprächspause
    Du bist auf Erden allgegenwärtig. Wunderst du dich ab und zu über die Menschen?
    Ja, seit Jahrtausenden. Und zwar darüber, wie sehr sie sich fremdbestimmen lassen. Alle Menschen werden als Originale geboren, die meisten aber sterben als Kopien.
    Vielleicht liegt es daran, dass die Menschen sich in ihrem Menschsein so einsam fühlen. Niemand weiß, warum er lebt, wie lange er lebt – wir wissen ja nicht einmal, wo wir leben. Ja, auf einem Staubkorn inmitten der unfassbaren Weite des Kosmos. Aber wo und warum existiert dieser Kosmos?
    Die Menschen suchen Orientierung.

    Sie sollten Orientierung in sich selbst suchen. Alles, was von außen kommt, verführt die Menschen.
    Kurze Gesprächspause
    Warum nur ist alles so schwierig? Manchmal wünsche ich mir so sehr eine einfache und klare Welt, ohne Angst, Druck,

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