Intimer Betrug
noch einmal. Diesmal drehte sich Grace schnell genug weg, um der vollen Wucht seines Schlages zu entgehen.
Mit lautem Gebrüll lief ihr Vater auf und ab wie ein Wahnsinniger. »Weißt du, was du getan hast?«
»Ich habe nichts getan, außer mich zu weigern, einen Mann zu heiraten, von dem ganz England weiß, dass er moralisch verdorben ist. Wenn du wüsstest, wie er wirklich ist, hättest du mich nicht zu einer Heirat mit ihm gezwungen.«
»Du glaubst, ich weiß nichts davon?« Ihr Vater lachte. »Du glaubst, ich würde die Gerüchte um ihn nicht schon seit Jahren kennen?«
Grace wollte etwas erwidern, bekam jedoch kein Wort heraus.
»Weißt du, wie viel er mir für dich geboten hat? Weißt du, wie reich mich das gemacht hätte? Und ich wäre dich gleichzeitig losgeworden.«
Ihr Vater taumelte wie ein Betrunkener. Er schenkte sich ein Glas aus einer Kristallkaraffe ein und trank einen großen Schluck. Dann wandte er sich mit düsterer Miene wieder an sie.
»Verschwinde! Hier ist kein Platz mehr für dich.« Diesmal kontrollierter, füllte er sein Glas erneut und trank noch einen Schluck. »Ich heirate wieder.«
Grace war fassungslos.
»Ich werde Lady Constance Sharpley zur Frau nehmen. Du kennst sie nicht. Wie könntest du auch, wenn du dich die ganze Zeit über auf dem Land versteckst? Aber sie kennt dich. Jedenfalls vom Hörensagen. Alle erinnern sich an meine älteste Tochter, die ihre Londoner Ballsaison als Mauerblümchen verbracht hat. Deren Unscheinbarkeit und scharfer Verstand die Männer dazu verleitet hat, die Flucht zu ergreifen, statt ihr nachzulaufen. O ja. Sie kennt dich. Weiß von deinem lebensfernen, herrschsüchtigen Charakter. Und meine neue Countess will, dass du verschwindest. Sie will nach Warren Abbey kommen und Herrin im eigenen Haus sein.«
Grace konnte ihre Überraschung nicht verhehlen.
»Was ist, Grace? Hast du geglaubt, ich würde mich für den Rest meines Lebens mit dir als Gefährtin zufrieden geben? Dass ich es meiner unverheirateten Tochter erlauben würde, sich auf dem Land zu verstecken, weil sie keiner wollte? Dass ich mich im hohen Alter von dir pflegen lassen würde, damit dein ansonsten eintöniges Leben wenigstens den Anschein einer Bedeutung bekäme?«
»Nein, Vater. Das habe ich nie geglaubt. Ich habe nie geglaubt, dass du mich wolltest. So wie du nie auch nur eine von uns gewollt hast.«
»Ich wollte einen Sohn! Einen Erben! Und ich gedenke auch, noch einen zu bekommen.«
Grace bekam es mit der Angst zu tun. »Ich verstehe.«
»Ach ja? Alles wäre perfekt gewesen, wenn du Fentington geheiratet hättest. Er hätte dich mir abgenommen und mir obendrein noch einen ansehnlichen Gewinn beschert. Dabei war ich mir so sicher, dass du noch Jungfrau bist. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass es nicht so ist. Bisher hat nie jemand Interesse an dir gezeigt.«
Er wirbelte zu ihr herum. »Wem hast du dich hingegeben, Grace? Einem der Stallburschen? Denn ein Gentleman würde dich nicht wollen, selbst wenn du deine Gunst gratis verschenken würdest.«
Ihre Beine gaben unter ihr nach. »Nein. Ein Gentleman würde mich ganz sicher nicht wollen.«
»Und du solltest lieber beten, dass du nicht schwanger bist. Denn wenn du glaubst, du kannst hierher zurückkommen und den Unterhalt für deinen Bastard auf mich abwälzen, irrst du dich gewaltig. Jetzt verschwinde, bevor ich dich hinauswerfen lassen muss!«
Grace richtete sich gerade auf und hob das Kinn. »Seien Sie versichert, Mylord, dass Sie in dem Wissen, Ihr Haus von allen ungewollten und unerwünschten Dingen befreit zu haben, heute Nacht gut schlafen werden.«
Sie drehte sich um und zwang ihre Beine, sie durch den Raum zu tragen. Mit zitternder Hand öffnete sie die Tür und schloss sie ohne einen Blick zurück hinter sich.
Der Butler wartete im Korridor. »George, lassen Sie den Buggy vorfahren.«
»Jetzt gleich, Mylady?«
»Ja. Jetzt gleich.«
»Sehr wohl.«
Grace begab sich die Treppe hinauf und weigerte sich, auch nur eine Träne zu vergießen. Ihr war klar gewesen, dass ihr Leben nach ihrer drastischen Tat nie mehr so sein würde wie zuvor, und sie hatte beschlossen, die Konsequenzen zu tragen, komme, was da wolle.
»Esther, lassen Sie ein paar Koffer hochbringen und kommen Sie zurück, um mir beim Packen zu helfen.«
Grace ignorierte die bestürzte Miene des Dienstmädchens, riss die Türen ihres Kleiderschranks auf und zerrte ihre Kleider heraus. Sie hatte keine Ahnung, wohin sie gehen sollte oder wie
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