Intimer Betrug
wissen.«
Vincent wollte widersprechen, hielt jedoch inne, als er Genevieves entschlossene Miene sah.
»Sie ist meine beste Freundin, Raeborn. Wahrscheinlich meine einzige Freundin. Ich würde alles für sie tun.«
»Das haben Sie bereits bewiesen. Auf meine Kosten.«
»Und ich würde es wieder tun.«
Er konnte seinen Zorn nicht länger im Zaum halten. »Ich will nur wissen, warum diese Grace für eine Nacht die Hure spielen musste!«
Genevieve atmete hörbar ein und sah ihn direkt an. An ihrem Blick erkannte er, dass sie, wenn die Rollen vertauscht wären und Genevieve ein Mann wäre, sich am nächsten Morgen mit Pistolen gegenüberstünden. Ihr Tonfall bestätigte diesen Eindruck.
»Stellen Sie
niemals
…« Sie hielt inne und funkelte ihn noch wütender an. »Stellen Sie Grace
niemals
mit mir auf eine Stufe. Sie verdient es nicht, dass ihr Name auch nur im selben Atemzug mit meinem genannt wird.«
Nach einem Blick in ihr erzürntes Gesicht nickte er. »Ich bitte um Entschuldigung.«
»Grace kam zu mir, weil sie verzweifelt war. Ihr Vater wollte ihre jüngere Schwester zwingen, einen widerwärtigen Kerl zu heiraten, der so alt war, dass er ihr Vater hätte sein können. Um ihre Schwester zu schützen, willigte Grace ein, ihren Platz einzunehmen.«
»Eine Ehe mit diesem Mann wäre so schrecklich gewesen?«
Genevieve erhob sich vom Sofa und trat ans Fenster. »Ja. Jede Stunde mit ihm wäre die Hölle auf Erden gewesen.«
Vincent sah, wie Genevieves Schultern mit jedem schaudernden Atemzug bebten. Als sie sich zu ihm umdrehte, war ihr Blick voller Ekel.
»Seine erste Frau ist bei der Geburt seines ersten Kindes, einer Tochter, gestorben. Seine zweite Frau hat sich nach nicht einmal sechs Monaten Ehe das Leben genommen. Der Mann ist im entsetzlichsten Sinne des Wortes böse. Neben seiner sexuellen Verderbtheit und seinen widerwärtigen Neigungen kommt einem der Teufel geradezu heilig vor.« Sie lief erregt auf und ab. »Er ist ein vermögender Mann und vermittelt allen, die ihn kennen, den Eindruck, ungemein gottesfürchtig und rechtschaffen zu sein, während sein Tun hinter verschlossenen Türen schändlich und pervertiert ist.« Sie hielt inne und wandte ihr gequältes Gesicht zum Fenster. »Er ist allem Guten ein Gräuel. Unzüchtig und widerwärtig. Nicht wert, als Mensch bezeichnet zu werden.«
Vincent erhob sich und stellte sich hinter sie. Sie zitterte am ganzen Körper und am liebsten hätte er ihr tröstend die Hand auf die Schulter gelegt. Doch er fürchtete, dass sie zurückzucken würde, wenn er sie berührte.
»Sie hätte sich weigern können. Sie war immerhin volljährig.«
»Aber ihre Schwester nicht. Grace musste seinen Antrag annehmen, bis sie ihre Schwester sicher unter der Haube wusste.«
»Ist sie das denn inzwischen?«
»Die Hochzeit war vor zwei Wochen.« Sie hielt inne und Vincent sah, wie sich ihre Schultern entspannten. Sie atmete tief durch. »Am Tage der Vermählung informierte der Mann meine Freundin, dass ihre Verlobung unverzüglich stattfinden werde. Sie müsse nur noch die Papiere mit der Garantie unterzeichnen, dass sie noch Jungfrau ist, bevor er die notwendigen Schritte unternehme, sie zu seiner Braut zu machen.«
»Garantie?«
»Ja. Eine unterschriebene und beglaubigte Garantie, dass die Frau, die er ehelicht, noch Jungfrau ist. Schließlich könne man nicht erwarten, dass ein Mann, der so genau nach Gottes Ebenbild erschaffen wäre, eine befleckte Frau als Braut akzeptieren würde. Eine schriftliche, unter Eid gegebene Erklärung ihrer Jungfräulichkeit war notwendig, bevor er sie auf dem Altar der Perversion opfern konnte.«
Vincent verspürte Abscheu. »Also musste sie ihre Jungfräulichkeit verlieren, um einer Heirat mit ihm zu entgehen.«
»Grace wusste, dass es nichts helfen würde, ihn einfach nur abzulehnen. Damit hätte sie nur den Zorn ihres Vaters auf sich gezogen und den Mann noch entschlossener gemacht, sie zu besitzen. Er ist erbarmungslos, wenn er etwas will, und lässt sich durch nichts davon abbringen. Er ist überzeugt, von Gott gesandt zu sein, um die Frauen für ihre Sünden zu bestrafen. Um sie zu quälen und zu erniedrigen und sie durch Schläge zur Unterwerfung zu zwingen, bis sie für ihre Sittenlosigkeit Buße tun.«
Sie drehte sich zu ihm um. »Grace wusste, dass sie keine andere Wahl hatte. Der Mann würde sie niemals zur Heirat zwingen, wenn sie ihm den Schwur verweigerte, noch Jungfrau zu sein. Hierher zu kommen, sich Ihnen
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